Leitsatz (amtlich)
Die Bauaufsichtsbehörde darf eine sofort vollziehbare Nutzungsuntersagung wegen der planungsrechtlichen Unzulässigkeit einer bordellartigen Nutzung von Räumlichkeiten ermessensfehlerfrei an den Grundstückseigentümer richten und muss diese nicht vorrangig gegenüber dem Mieter erlassen.
Verfahrensgang
VG Hamburg (Beschluss vom 20.04.2005) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 20. April 2005 geändert und der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 9. März 2005 insgesamt abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500.– EUR festgesetzt.
Tatbestand
I. Der Antragsteller ist Eigentümer eines Mehrfamilienhauses im Geltungsbereich eines Baustufenplans nach der BPVO, der für das Grundstück die Ausweisung „W4g” enthält. Die Antragsgegnerin stellte nach Berichten in der Tagespresse und aufgrund einschlägiger Anzeigen fest, dass zwei in diesem Haus vorhandene ehemalige Läden mit Nebenräumen in gleicher Weise wie ähnliche Räumlichkeiten in anderen Häusern in der näheren Umgebung zum Zwecke der Prostitutionsausübung genutzt werden.
Mit einer an den Antragssteller gerichteten Verfügung vom 9. März 2005 untersagte die Antragsgegnerin diesem unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Festsetzung von Zwangsmitteln mit sofortiger Wirkung auf Dauer, die beiden ehemaligen Läden für bordellartige Zwecke zu nutzen oder nutzen zu lassen, und forderte den Antragsteller auf, bestehende Miet- oder Nutzungsverhältnisse mit Personen, die die Räume zur Ausübung der Prostitution zur Verfügung stellen oder nutzen mit sofortiger Wirkung zu beenden. Im Rahmen eines Einschreitens vor Ort durch Bauaufsichtsbehörde und Polizei wurde den zu diesem Zeitpunkt in den Räumlichkeiten anwesenden vier Frauen jeweils eine Duldungsverfügung übergeben. Ferner wurden die Räume anschließend versiegelt und eine nach außen sichtbare Mitteilung über die Nutzungsuntersagung angebracht.
Der Antragsteller erhob gegen die Verfügung Widerspruch und begehrte mit einem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sowie die Entfernung der Siegel und der Mitteilung über die Nutzungsuntersagung.
Mit Beschluss vom 20. April 2005 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederhergestellt und den Antrag im Übrigen abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, mit Blick auf eine rasche Beendigung der bordellartigen Nutzung der Räumlichkeiten hätte die Untersagung nicht an den Grundstückseigentümer ergehen dürfen, sondern an die Mieter gerichtet werden müssen, da der Grundstückseigentümer zivilrechtlich ggf. nicht in der Lage sei, kurzfristig die Nutzung zu unterbinden, wenn die Mieter zu deren Aufgabe bzw. Räumung nicht bereit seien; auch sei die Verpflichtung zur Kündigung zu unbestimmt gehalten. Für die Entfernung der Siegel und der Untersagungsmitteilung bedürfe es keiner gerichtlichen Entscheidung, da die Antragsgegnerin diese im Hinblick auf die gerichtliche Entscheidung entfernen werde.
Gegen die ihr am 21. April 2005 zugestellte Entscheidung hat allein die Antragsgegnerin am 29. April 2005 Beschwerde eingelegt. Auf einen weiteren Antrag der Antragsgegnerin hat das Beschwerdegericht mit Beschluss vom 4. Mai 2005 die Vollziehung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgesetzt.
Der Antragsteller hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg. Sie hat den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO genügend dargelegt, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nicht zu rechtfertigen vermag (1.); auch im Übrigen rechtfertigen die Interessen des Antragstellers in Abwägung mit dem besonderen öffentlichen Interesse am Sofortvollzug der Verfügung keine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs (2.).
1. Zutreffend rügt die Antragsgegnerin, dass es nicht ermessensfehlerhaft war, die Nutzungsuntersagung gegen den Antragsteller als Grundstückseigentümer und Verfügungsberechtigten über das Grundstück zu richten (a) und die Verfügung auch hinreichend klar erkennen lässt, welches Verhalten vom Antragsteller verlangt wird (b).
a) Unzutreffend ist die die Entscheidung tragende Erwägung des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller habe keine Möglichkeit, die bordellartige Nutzung der beiden Ladenwohnungen umgehend zu beenden, weil er selbst eine ggf. fristlose Kündigung zivilrechtlich nur im Wege einer Räumungsklage gegenüber Mietern durchsetzen könne, wenn diese die Nutzung nicht aufgäben und die Räumlichkeiten nicht selbst räumten, und deshalb müsse die Antragsgegnerin im Rahmen der Auswahl, gegen wen (als Störer) eingeschritten werden solle, gegen die Mieter vorgehen.
Dem steht bereits die beabsicht...