Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Aufenthaltsschutz über die Grenze der Erlaubnisfiktion hinaus
Leitsatz (amtlich)
1. Gesteht die Ausländerbehörde dem Ausländer den Status eines vorläufig erlaubten Aufenthalts nach § 69 Abs. 3 AuslG nicht zu, ist diesem vorläufiger Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO durch einen feststellenden Ausspruch nicht anders als in dem rechtsähnlichen Fall zu gewähren, dass eine Behörde die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Klage gegen einen Verwaltungsakt nach § 80 Abs. 1 VwGO nicht beachtet.
2. Die Erlaubnisfiktion gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 AuslG auszulösen vermag ein Antrag auf Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung auch dann, wenn die örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörde, bei der der Ausländer den Antrag stellt, Zweifeln begegnet, die näherer tatsächlicher oder rechtlicher Klärung bedürfen.
3. Die Geltung der Erlaubnisfiktion nach § 69 Abs. 3 Satz 1 AuslG beenden kann erst eine Entscheidung der Ausländerbehörde, die der in § 66 Abs. 1 Satz 1 AuslG vorgeschriebenen Schriftform genügt.
Verfahrensgang
VG Hamburg (Beschluss vom 06.05.2003) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 6. Mai 2003 geändert.
Es wird festgestellt, dass der Aufenthalt der Antragsteller bis zur Entscheidung der Antragsgegnerin über deren Anträge auf Verlängerung der Aufenthaltsbefugnisse vom 14. November 2002 im Sinne des § 69 Abs. 3 Satz 1 AuslG als erlaubt gilt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens tragen die Antragsteller zu zwei Dritteln und die Antragsgegnerin zu einem Drittel.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren und für das Verfahren erster Instanz auf jeweils 15.000,– Euro festgesetzt.
Tatbestand
I. Die Antragsgegnerin wendet sich mit der Beschwerde gegen die vom Verwaltungsgericht im Wege einstweiliger Anordnung ausgesprochene Verpflichtung, die Aufenthaltsbefugnisse der Antragsteller für zunächst ein Jahr zu verlängern.
Die Antragsteller sind irakische Staatsangehörige. Die Antragsteller zu 1) und zu 2) sind Eheleute, die Antragsteller zu 3) bis 5) ihre leiblichen Kinder; die Antragstellerin zu 3) ist seit Februar 2003 volljährig. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge traf 1996 die Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG, dass die Antragsteller nicht in den Irak abgeschoben werden dürfen. Die Antragsteller sind im Besitz von Reiseausweisen. Sie erhielten Aufenthaltsbefugnisse gemäß § 70 Abs. 1 AsylVfG, zunächst vom Landkreis B. D., seit ihrem Umzug nach C. im Dezember 1998 von der dortigen Ausländerbehörde, zuletzt mit einer Geltungsdauer bis zum 15. Dezember 2002. Eine räumliche Beschränkung war darin nicht verfügt.
Am 27. Juni 2002 zogen die Antragsteller von C. nach H.. Sie mieteten eine Wohnung an. Die Antragsteller zu 3) bis 5) nahmen den Schulbesuch auf. Die Antragsteller zu 1) und zu 2) erhielten zunächst Arbeitslosenhilfe, daneben Mietzuschüsse und ergänzende laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Sie sind nach ihrem Vorbringen seit Ende August 2003 bzw. Anfang November 2003 in unbefristeten Arbeitsverhältnissen (Probezeit) beschäftigt und beziehen gegenwärtig keine Sozialhilfeleistungen mehr.
Die Antragsgegnerin fügte am 24. Oktober 2002 in die Aufenthaltsbefugnisse der Antragsteller den Zusatz „Wohnsitznahme auf die Stadt C. beschränkt” ein. Gleichzeitig forderte sie die Antragsteller schriftlich auf, sich in H. abzumelden und ihren Wohnsitz in C. zu nehmen.
Die Antragsteller erhoben mit Schreiben vom 14. November 2002 Widerspruch: Ihnen seien in C. Aufenthaltsbefugnisse ohne eine räumliche Beschränkung erteilt und verlängert worden, so dass sie nach H. hätten umziehen dürfen. Die Antragsgegnerin sei nicht befugt, nachträglich räumliche Beschränkungen zu verfügen, die allein ein anderes Bundesland beträfen. Die Beschränkung der Wohnsitznahme verletze überdies das Diskriminierungsverbot der Genfer Flüchtlingskonvention sowie das Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention. – In dem Widerspruchsschreiben beantragten sie zugleich die Verlängerung der Aufenthaltsbefugnisse um zwei Jahre.
Die Antragsgegnerin wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheiden vom 17. und 21. März 2003 zurück. Den Verlängerungsantrag beschied sie darin nicht. Zur Wohnsitzbeschränkung führte sie aus: Die Aufenthaltsbefugnis dürfe auch nachträglich auf das die Aufenthaltsbefugnis erteilende Bundesland räumlich beschränkt werden, wenn die Befugnisinhaber Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz oder dem Asylbewerberleistungsgesetz bezögen (Nummer 12.1.3 AuslG-VwV).
Die Antragsteller haben am 22. April 2003 Klage erhoben mit den Klaganträgen, die Beschränkung der Wohnsitznahme aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Reiseausweise und die Aufenthaltsbefugnisse zu verlängern (21 VG 1617/2003). Sie haben daneben den Erlass einer einstweiligen Anordnung betreffend die Verlängerung der Reiseausweise und ...