Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilnahme eine Unternehmens mit dem Gegenstand der Durchführung von Demontagearbeiten, Abbruch und Sanierung von Gebäuden befassten Unternehmens am Sozialkassenverfahren im Baugewerbe
Leitsatz (amtlich)
1. Teilabbrucharbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 29 VTV können sich auch auf nichttragende Bauteile, z.B. abgehängte Decken, Treppen u.ä., beziehen. Auch in einem solchen Fall tritt eine teilweise Beseitigung eines Bauwerks ein.
2. Die Demontage von Dämmungen und von HolzB und Aluminiumverkleidungen stellt jedenfalls auch eine bauliche Tätigkeit i.S.v. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV ("Beseitigung von Bauwerken") dar.
3. Es besteht nicht generell eine Amtspflicht, Zweifel an der Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) aus anderen Rechtsstreitigkeiten von Amts wegen in alle anderen Verfahren die gleiche AVE betreffend einzuführen.
Normenkette
ArbGG § 98 Abs. 6; VTV § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 29
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 23.10.2013; Aktenzeichen 6 Ca 191/13) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 23. Oktober 2013 - 6 Ca 191/13 - wird zurückgewiesen.
Der Antrag der Beklagten auf Aussetzung des Rechtsstreits nach § 98 Abs. 6 ArbGG wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zum Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Nach näherer tariflicher Maßgabe ist er die für den Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes zuständige Stelle.
Auf der Grundlage des allgemeinverbindlichen Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe begehrt der Kläger von der Beklagten Zahlung von 17.228 Euro. Dabei handelt es sich um Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer in dem Zeitraum Januar bis Februar 2011. Der Kläger hat die Forderung auf der Grundlage einer Mindestbeitragsklage berechnet und dabei pro Arbeitnehmer, nämlich für 11,5 Arbeitnehmer im Januar 2011 und für 18 Arbeitnehmer in Februar 2011, jeweils einen Sozialkassenbeitrag in Höhe von 584 Euro zugrunde gelegt.
Im Handelsregister ist der Betrieb der Beklagten mit dem Unternehmensgegenstand "Durchführung von Demontagearbeiten, Abbruch und Sanierung von Gebäuden" eingetragen (Bl. 51 der Akte). Am 17. Februar 2010 hat die Beklagte in dem Formular "Anmeldung Neukunde" angekreuzt, sie führte Abbruch- und Entkernungsarbeiten durch.
Die Bundesagentur für Arbeit - Agentur für Arbeit Darmstadt - hat mit Bescheid vom 19. August 2010 (Bl. 41 der Akte) festgestellt, dass die Beklagte überwiegend baufremde Arbeiten erbracht habe.
Am 14. September 2011 fand ein Betriebsbesuch durch den Kläger statt.
Im Betrieb der Beklagten wurden im streitgegenständlichen Zeitraum zu einem Anteil von mindestens 70 % der Arbeitszeit nichttragende Bauteile, z.B. abgehängte Decken aus Gipskarton oder Holz, Trennwände aus Gipskarton etc. entfernt. Zu einem Anteil von mindestens 5 % wurden tragende Bauteile abgebrochen. Zu einem weiteren Anteil von mindestens 5 % wurden Schadstoffe (Asbest, PCB, PAK) entfernt. Daneben erbrachte die Beklagte Entrümpelungsarbeiten und entfernte dabei bewegliche Sachen auf den Sperrmüll.
Der Kläger hat behauptet, in dem Betrieb der Beklagten hätten die Arbeitnehmer im Jahre 2011 zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Arbeitszeit die folgenden Tätigkeiten erbracht:
- Abbrucharbeiten, d.h. Abbruch von Mauerwerksteilen und Gebäudeteilen;
- Entkernungsarbeiten, wie das Entfernen/die Demontage von Gipskartonwänden, Mineralfaserdecken, Entfernen von Styroporplatten, Dämmungen/Dämmstoffen, Holz-, Aluminium- und Stahlverkleidungen, Demontage von Betontreppen und Stahltreppen;
- Kernbohrungsarbeiten für Wand- und Deckenöffnungen;
- Schadstoffsanierungsarbeiten an Gebäuden, d.h. der Ausbau von schadstoffbelastenden Dämmstoffen (Asbest, PCB, PAK) Mineralfaserstoffen.
Zur Stützung seines Vortrags verweist der Kläger auf den Betriebsbesuch, den Internetauftritt der Beklagten sowie die vorgerichtlichen Angaben der Beklagten in dem Anmeldeformular.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 17.228 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, sie unterfalle nicht dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liege in der Entrümpelung bzw. Vorbereitung der Revitalisierung von Gebäuden. Zu ca. 70 % ihrer Tätigkeit entferne sie alle nicht tragenden Bauteile, z.B. abgehängte Decken aus Gipskarton oder Holz, PVC-Fußboden oder Teppichboden, Trennwände aus Gipskarton etc. Zu einem Anteil von 15 % nehme sie klassische Entrümpelungsarbeiten vor (Sperrmüllentsorgung). Zu ca. 5 % habe sie Abbrucharbeiten erbracht, indem tragende Teile abgebrochen wurden. Zu ca. 10 % habe sie Schadstoffe entfernt (Asbest, PCB, PAK). Abbrucharbeiten erforderten, dass ein ...