Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilnahme eines Abbruchunternehmens am Sozialkassenverfahren im Baugewerbe
Leitsatz (amtlich)
Entsorgungs- und Recyclingarbeiten können als bauliche Zusammenhangstätigkeiten anzusehen sein, wenn sie im Anschluss an eigene Abbrucharbeiten erbracht werden.
Es ist für die Annahme einer Zusammenhangstätigkeit nicht erforderlich, dass auf diese Vor-, Nach- oder Nebenarbeit mehr Arbeitszeit entfällt als auf die eigentliche Haupttätigkeit (hier Abbrucharbeiten).
Parallelentscheidung zu Hess. LAG 27. Februar 2014 - 10 Sa 1038/14
Normenkette
VTV § 1 Abs. 2 Abschn. V
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 17.04.2014; Aktenzeichen 9 Ca 1271/13) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 17. April 2014 - 9 Ca 1271/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zu den Sozialkassen des Baugewerbes.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Er ist nach näherer tariflicher Maßgabe verpflichtet, die Beiträge zum Sozialkassenverfahren des Baugewerbes einzuziehen. Auf der Grundlage des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) begehrt er von der Beklagten Zahlung von selbst gemeldeten Beiträgen für gewerbliche Arbeitnehmer für den Zeitraum April 2011 bis Juni 2012 in Höhe von 51.624,46 Euro.
Das Unternehmen der Beklagten, das kein zertifiziertes Entsorgungsfachunternehmen ist, war seit dem 24. Februar 2010 im Handelsregister des Amtsgerichts Stuttgart mit dem Unternehmensgegenstand "Ausführung von Abbruch- und Entsorgungsarbeiten" eingetragen. Bei einer Anmeldung als Neukunde hat die Beklagte mit Schreiben vom 10. März 2010 gegenüber dem Kläger angegeben, sie führte Abbruch- und Tiefbauarbeiten aus. Wegen der Einzelheiten dieser Anmeldung wird verwiesen auf Bl. 28 und 29 der Akte.
Neben der A., die Beklagte im hiesigen Prozess, bestand jedenfalls bis zum 31. Dezember 2009 die B. in der C. Gegen die B. hat der Kläger in einem gesonderten Rechtsstreit Ansprüche geltend gemacht (10 Sa 1038/14). Nach eigenen Angaben hat die hiesige Beklagte die Tätigkeiten der B. mit Ausnahme des Baustoffhandels fortgeführt. Die Beklagte ist mittlerweile stillgelegt.
Zwischen den Parteien ist es unstreitig, dass im Betrieb der Beklagten im erheblichen Umfang Abbrucharbeiten durchgeführt wurden. Die Grobsortierung des Abbruchgutes wurde auf der Abbruchbaustelle selbst vorgenommen. Lediglich das Abbruchgut, das noch zerkleinert werden musste, wurde auf die Sortierstelle gebracht und dort mit dem Brecher bearbeitet. Die Beklagte hatte zunächst auf einem Steinbruch eine große Fläche angemietet und diese als Sortierstelle genutzt. Danach hat sie einen Recyclingplatz in D. angemietet. Dort wurde das Abbruchgut in verschiedene Teilbereiche sortiert; was noch Wert hatte, insbesondere Metalle, wurde weiterveräußert. Die Entsorgungsarbeiten bezogen sich überwiegend auf Abbruchmaterial aus eigenen Baustellen. Nur zu einem geringen Teil sortierte und entsorgte die Beklagte auch Abbruchmaterial von dritten Unternehmen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, am Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft teilzunehmen. Er hat behauptet, die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer hätten jeweils zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Arbeitszeit in den Kalenderjahren 2011 und 2012 die folgenden Tätigkeiten erbracht:
-
Demontage von Gebäude- bzw. Bauwerksteilen im Rahmen eines Gesamt- bzw. Teilabbruchs des Gebäudes sowie Ausschachtungen von Baugruben, Planierarbeiten und das Wiederanfüllen der Neubauten sowie
-
Tiefbauarbeiten einschließlich damit im Zusammenhang stehender Transportleistungen.
Für die Richtigkeit dieses Vortrages würden die Neukundenanmeldung, die Eintragung im Handelsregister sowie die Darstellung der Betriebsstruktur auf der Internetplattform der Beklagten sprechen. Dort werde insbesondere mit Abbruch- und Erdbewegungsarbeiten geworben. Die Beklagte verfüge über LKWs und Bagger, aber keineswegs über Betriebsmittel, die typischerweise von einem Recyclingunternehmen eingesetzt würden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 51.624,46 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass sie nicht verpflichtet sei, am Sozialkassenverfahren im Baugewerbe teilzunehmen. Sie hat behauptet, dass die Arbeitszeit, die auf die Abbrucharbeiten entfiel, gegenüber derjenigen Arbeitszeit, die auf die Tätigkeiten des Recyclings und Sortierens von Abbruchmaterial entfiel, als untergeordnet anzusehen sei. Die Tätigkeit des Sortierens und des Recycelns mache wenigstens 75 % ihrer Gesamttätigkeit aus.
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 17. April 2014 der Klage vollumfänglich stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger schlüssig behauptet habe, dass im Be...