Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilnahme eines Abbruchunternehmens am Sozialkassenverfahren im Baugewerbe
Leitsatz (amtlich)
Entsorgungs- und Recyclingarbeiten können als bauliche Zusammenhangstätigkeiten anzusehen sein, wenn sie im Anschluss an eigene Abbrucharbeiten erbracht werden.
Es ist für die Annahme einer Zusammenhangstätigkeit nicht erforderlich, dass auf diese Vor-, Nach- oder Nebenarbeit mehr Arbeitszeit entfällt als auf die eigentliche Haupttätigkeit (hier Abbrucharbeiten).
Parallelentscheidung zu LAG Hessen - 27.02.2014 - AZ: 10 Sa 1037/14
Normenkette
VTV § 1 Abs. 2 Abschn. V
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 17.04.2014; Aktenzeichen 9 Ca 1310/13) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 17. April 2014 - 9 Ca 1310/13 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zu den Sozialkassen des Baugewerbes.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Er ist nach näherer tariflicher Maßgabe verpflichtet, die Beiträge zum Sozialkassenverfahren des Baugewerbes einzuziehen. Auf der Grundlage des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) begehrt er von der Beklagten Zahlung von Beiträgen für gewerbliche Arbeitnehmer sowie für Angestellte für den Zeitraum Dezember 2006 bis Dezember 2009 in Höhe von 194.167,59 Euro. Die Beitragsforderung beruht auf Feststellungen des Klägers anlässlich eines Betriebsbesuchs. Hinsichtlich der genauen Zusammensetzung der Klageforderung wird Bezug genommen auf die klägerische Aufstellung Bl. 35 und 36 der Akte.
Das Unternehmen der Beklagten, das kein zertifiziertes Entsorgungsfachunternehmen ist, ist im Handelsregister mit dem Unternehmensgegenstand "Ausführung sämtlicher Straßenbau- und Tiefbauarbeiten" eingetragen. Bei einer Anmeldung als Neukunde hat die Beklagte mit Schreiben vom 21. Juni 2000 gegenüber dem Kläger angegeben, sie führte Abbrucharbeiten aus. Wegen der Einzelheiten dieser Anmeldung wird verwiesen auf Bl. 125 der Akte.
Neben der A., die Beklagte im hiesigen Prozess, bestand jedenfalls ab dem 1. März 2010 die B. mit Sitz in der C. in D.. Gegen die B. hat der Kläger in einem gesonderten Rechtsstreit Ansprüche geltend gemacht (10 Sa 1037/14).
Zwischen den Parteien ist es unstreitig, dass im Betrieb der Beklagten im erheblichen Umfang Abbrucharbeiten durchgeführt wurden. Die Grobsortierung des Abbruchgutes wurde auf der Abbruchbaustelle selbst vorgenommen. Lediglich das Abbruchgut, das noch zerkleinert werden musste, wurde auf die Sortierstelle gebracht und dort mit dem Brecher bearbeitet. Die Beklagte hatte zunächst auf einem Steinbruch eine große Fläche angemietet und diese als Sortierstelle genutzt. Danach hat sie einen Recyclingplatz in E. angemietet. Dort wurde das Abbruchgut in verschiedene Teilbereiche sortiert; was noch Wert hatte, insbesondere Metalle, wurde weiterveräußert. Die Entsorgungsarbeiten bezogen sich überwiegend auf Abbruchmaterial aus eigenen Baustellen. Nur zu einem geringen Teil sortierte und entsorgte die Beklagte auch Abbruchmaterial von dritten Unternehmen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, am Sozialkassenverfahren der Bauwirtschaft teilzunehmen. Er hat behauptet, die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer hätten jeweils zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Arbeitszeit in den Kalenderjahren 2006 bis 2009 die folgenden Tätigkeiten erbracht:
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Demontage von Gebäude- bzw. Bauwerksteilen im Rahmen eines Gesamt- bzw. Teilabbruchs des Gebäudes sowie Ausschachtungen von Baugruben, Planierarbeiten und das Wiederanfüllen der Neubauten sowie
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Tiefbauarbeiten einschließlich damit im Zusammenhang stehender Transportleistungen.
Für die Richtigkeit dieses Vortrages würden die Neukundenanmeldung, die Eintragung im Handelsregister sowie die Darstellung der Betriebsstruktur auf der Internetplattform der Beklagten sprechen. Dort werde insbesondere mit Abbruch- und Erdbewegungsarbeiten geworben. Die Beklagte verfüge über LKWs und Bagger, aber keineswegs über Betriebsmittel, die typischerweise von einem Recyclingunternehmen eingesetzt würden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 194.130,74 Euro zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass sie nicht verpflichtet sei, am Sozialkassenverfahren im Baugewerbe teilzunehmen. Sie hat behauptet, dass die Arbeitszeit, die auf die Abbrucharbeiten entfiel, gegenüber derjenigen Arbeitszeit, die auf die Tätigkeiten des Recyclings und Sortierens von Abbruchmaterial entfiel, als untergeordnet anzusehen sei. Auf das Sortieren und Recyceln entfielen zwischen 2/3 und 3/4 der Gesamttätigkeit. Dies ergebe sich auch aus der Anlage zum Schriftsatz vom 24. Oktober 2013, wegen dessen Einzelheiten verwiesen wird auf Bl. 84 bis 120 der Akte. Der Arbeitseinsatz und der finanzielle Au...