Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 25.11.1994; Aktenzeichen S-11/V-2766/93) |
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. November 1994 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat dem Kläger die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen beider Instanzen zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Entziehung von Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der am … 1932 geborene Kläger hat als ausländischer Staatsangehöriger seinen Wohnsitz in der Republik Kroatien.
Erstmals am 6. Juni 1989 beantragte er bei dem Beklagten die Gewährung von Beschädigtenversorgung und trug vor, am 11. Juni 1944 durch liegengebliebenes Kriegsmaterial verletzt worden zu sein. Er habe durch eine Explosion den linken Arm im Unterarm und das linke Auge verloren. Ferner habe er zahlreiche Narben im Bereich des Gesichtes. Er sei zu 90 % invalide und deshalb als ziviles Kriegsopfer in seinem Heimatland anerkannt. Er erhalte dementsprechende Invalidenrente. Er legte hierüber Zahlungsbelege vor. Nach weiteren Ermittlungen erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 25. Juli 1991 die geltend gemachten Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen an und gewährte Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 70 v.H. Zur Begründung führte der Beklagte u.a. aus, daß die Leistung als sog. „Kannleistung” gemäß § 64 e Abs. 1 bzw. § 64 Abs. 2 BVG bewilligt werde.
Diesen Bescheid nahm der Beklagte ohne vorherige Anhörung des Klägers mit Aufhebungsbescheid vom 11. Januar 1993 mit Wirkung ab 1. Februar 1993 zurück und führte zur Begründung aus, daß der Bewilligungsbescheid rechtswidrig sei, da eine Doppelversorgung gemäß § 7 Abs. 2 BVG unzulässig sei. Der Kläger erhalte bereits Rente als ziviles Kriegsopfer von seinem Heimatstaat und habe deshalb keinen weiteren Anspruch nach dem BVG. Die Aufhebung sei im öffentlichen Interesse geboten. Zugunsten der Interessen des Klägers sei bereits berücksichtigt worden, daß der Grund für das Zustandekommen des rechtswidrigen Bescheides in der Verantwortung der deutschen Verwaltung liege. Im Rahmen der Ermessensprüfung sei die persönliche Lage des Klägers berücksichtigt worden. Die Höhe der Versorgung des Heimatstaates könne nicht zugunsten des Klägers berücksichtigt werden, da auf diese wirtschaftlichen Verhältnisse deutsche Verwaltungsentscheidungen keinen Einfluß hätten. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 23. Februar 1993 Widerspruch ein und trug vor, daß die Entziehung der Versorgungsleistungen rechtswidrig sei und er deshalb weiterhin die Auszahlung der Rente begehre. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 1993 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Da den Kläger kein Verschulden an der Rechtswidrigkeit des Bescheides treffe, brauche er die gezahlten Leistungen nicht zurückzuerstatten. Für die Zukunft überwiege jedoch das öffentliche Interesse. Es sei bekannt, daß der Kläger schon in jungen Jahren schwer geschädigt worden sei und in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen lebe. Dieser Umstand treffe bei Sozialleistungen vielfach zu und könne bei allem Verständnis nicht dazu führen, daß lebenslang fortgeführt werde, was nach dem Gesetz nicht hätte sein dürfen.
Am 1. November 1993 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben und die Ansicht vertreten, daß die Entziehung von Versorgungsleistungen rechtswidrig sei und deshalb nicht hätte erfolgen dürfen. Ferner hat er vorgetragen, daß sein Haus am 13. Dezember 1991 durch Kriegseinwirkungen gebrannt habe und durch die Sprengung der Kirche in unmittelbarer Nähe erheblich beeinträchtigt worden sei. Es handele sich um einen 100 %-igen Schaden seines Hauses. Sein Eigentum sei völlig zerstört und er bitte als humanitäre Hilfe um weitere Gewährung der Rente. Durch diese Rente allein sei es ihm möglich, weiterhin wirtschaftlich zu existieren.
Mit Urteil vom 25. November 1994 hat das Sozialgericht den angefochtenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid aufgehoben. In den Entscheidungsgründen hat es im wesentlichen ausgeführt, eine Aufhebung hätte nur unter den Voraussetzungen des § 45 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) erfolgen können. Entscheidend sei, daß der Beklagte von der ihm nach § 45 Abs. 1 SGB X obliegenden Pflicht zur Anwendung sachgerechten Ermessens keinen Gebrauch gemacht habe. Der Beklagte habe seine Entscheidung nicht auf den individuellen Einzelfall des Klägers abgestellt. Vielmehr weise die Formulierung darauf hin, daß der Beklagte bei seiner Entscheidung gerade nicht die individuellen Verhältnisse des vorliegenden Falles im Auge gehabt habe, sondern nur solche Aspekte, die für sämtliche Fälle der Gewährung von Versorgungsleistungen an zivile Kriegsopfer im ehemaligen Jugoslawien zutreffen würden. Das Fehlen jeglicher Einzelfallbezogenheit werde insbesondere dadurch deutlich, daß in einer Vielzahl von Fällen die gleiche F...