Leitsatz (amtlich)
1) Ein positiver Zugunstenbescheid ist hinsichtlich der gewährten Leistungen in vollem Umfang nachprüfbar.
2) Für den mutmaßlichen Berufsweg ist die schulische Ausbildung von Bedeutung.
3) Eine leitende Stellung mit Aufsichts- und Dispositionsbefugnis setzt in der Regel eine unternehmerische Funktion voraus, die einen unmittelbaren Einfluß auf die betriebliche und wirtschaftliche Gestaltung des Unternehmens ermöglicht.
Normenkette
BVG § 40a; DVO § 3; BVG § 30 Abs. 3-4
Verfahrensgang
SG Darmstadt (Urteil vom 18.06.1969) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 18. Juni 1969 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben ein ander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der 1902 geborene Ehemann der Klägerin, der seit dem 22. Juli 1944 vermißt ist, ist mit Beschluß des Amtsgerichts D. vom 16. August 1954 für tot erklärt worden. Als Zeitpunkt des Todes wurde der 31. Dezember 1945 festgestellt. Sie bezieht Hinterbliebenenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und eine Witwenrente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), die ab 1. August 1967 DM 470,60 betrug.
Die Klägerin beantragte am 11. Februar 1965 Schadensausgleich gemäß § 40 a BVG. Zum beruflichen Werdegang ihres Ehemannes gab sie unter Bezugnahme auf den von ihr gefertigten Lebenslauf an, er habe 4 Klassen der Volksschule von 1908 bis 1912 absolviert und dann die deutsche Staatsrealschule in P. und M. bei W. bis 1917 besucht. Er sei anschliessend zwei Jahre auf der ehemaligen Infanterie-Kadettenschule in P. gewesen und am 1. Oktober 1919 bei einem Bergwerk als Beamter eingetreten. Von Juli 1920 bis März 1921 habe er in C. einen kaufmännischen Kursus besucht und sei ab April 1921 bis September 1922 bei den Firmen Sch. St. GmbH und AG S. in F. Krs. S. als Kontorist tätig gewesen. Im September 1922 habe er seine zweijährige Militärdienstzeit bei dem tschechoslowakischen Heer abgeleistet und sei als Leutnant d.R. ausgetreten. Ab 1. Januar bis 15. November 1925 sei er Beamter bei der Firma W. in T.-Sch. gewesen und ab 25. November 1925 bis 31. Dezember 1933 bei der Firma O. AG in P. Revisionsbeamter der Verkaufsstelle und Lohnbuchhalter. Ab 1. Januar 1934 bis 30. Juni 1937 habe er bei der Filiale der Firma R. in P. als Lohnbuchhalter gearbeitet und sei am 1. Mai 1938 dann Verkaufsleiter der Firma B. K. in K. geworden.
Mit Bescheid vom 20. April 1967 stufte das Versorgungsamt D. den Ehemann der Klägerin in die Leistungsgruppe II der kaufmännischen Angestellten ein. Bei diesem Vergleichseinkommen ließ sich kein Schadensausgleich berechnen.
Am 28. Juni 1967 stellte die Klägerin erneut Antrag auf Gewährung von Schadensausgleich unter Bezugnahme auf die Erklärung des Ministerialrats Dr. P. vom 30. Mai 1967, der darin die Meinung vertrat, ihr Ehemann hätte auf Grund seiner umfassenden Kenntnisse der östlichen Sprachen sowie auch mit Rücksicht auf die überdurchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnisse bald wieder eine leitende Stellung in der Privatwirtschaft gefunden. Bei seiner Zielstrebigkeit und Gewissenhaftigkeit hätte er eine Vertrauensstellung errungen die erheblich über dem Durchschnitt etwa eines einfachen Korrespondenten bewertet werden müßte.
Der hierauf erteilte Zugunstenbescheid vom 19. Juli 1967 nahm als Vergleichseinkommen den durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst der Leistungsgruppe II eines kaufmännischen Angestellten aller Wirtschaftsbereiche an, da es nunmehr ausreichend wahrscheinlich gemacht sei, daß der Ehemann der Klägerin über Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt habe, die ihn über die Leistungsgruppe III hinaus qualifiziert hätten. Da somit die frühere Entscheidung tatsächlich unrichtig sei, werde unter Aufhebung des Bescheides vom 20. April 1967 zu ihren Gunsten die Einstufung in die Leistungsgruppe II der kaufmännischen Angestellten in allen Wirtschaftsbereichen vorgenommen und dem Bescheid Rückwirkung ab 1. Januar 1964 beigelegt.
Mit dem Widerspruch machte die Klägerin geltend, der Schadensausgleich sei unter Berücksichtigung der Leistungsgruppe I Buchst. a zu berechnen.
Dazu führte der ablehnende Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 1967 aus, mit der Erklärung des Dr. P. vom 30. Mai 1967 sei nicht der Beweis erbracht worden, daß der Ehemann vor Eintritt der Schädigung eine Stellung erreicht gehabt habe, die durch die Vorschriften der §§ 3 und 4 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG nicht ausreichend Berücksichtigung gefunden habe.
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Darmstadt hat die Klägerin unter Bezugnahme auf die Bestätigung der M. K. vom 17. März 1969 vorgetragen, bei dem nach 1945 angenommenen Berufsweg sei zu berücksichtigen, daß ihr Ehemann die Dolmetscherschule besucht und die russische Sprache in Wort und Schrift erlernt habe. Er habe neben russisch auch polnisch und tschechisch sprechen können. Deshalb könne davon ausgegangen werden, daß er auf Grund seiner Vorbildung und den Kenntnissen in slawischen Sprachen eine leitende Stell...