Dr. Anton Wiedemann, Giulia Novelli
1. Testierfähigkeit
Rz. 52
Die Testierfähigkeit beurteilt sich gem. Art. 47 it. IPRG nach dem Heimatrecht des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung; spätere Änderungen der Nationalität sind unerheblich. Eine Art. 26 Abs. 5 S. 2 EGBGB a.F. vergleichbare Regelung fehlt. Das von Art. 47 it. IPRG bestimmte Recht gilt auch für Fragen des Vorhandenseins und die Rechtsfolgen von Willensmängeln (strittig ist, ob dies auch für das Rechtswahltestament gilt).
2. Testamentsform
Rz. 53
Für die Testamentsform gilt Art. 48 it. IPRG. Italien hat das Haager Testamentsformübereinkommen vom 5.10.1961 bislang nicht ratifiziert; Art. 48 it. IPRG stimmt aber im Wesentlichen mit dessen Art. 1 überein und geht ebenfalls vom Gedanken des favor testamenti aus. Da Art. 48 it. IPRG unmittelbar auf die Sachnormen der berufenen Rechtsordnung verweist, scheidet ein renvoi aus (Art. 13 Abs. 2 lit. b it. IPRG). In Anknüpfung an das von Italien nicht ratifizierte Haager Testamentsformübereinkommen ist nach Art. 48 it. IPRG das Testament formwirksam, wenn es nach dem Ort der Testamentserrichtung, der Staatsangehörigkeit, dem Wohnsitz oder dem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers jeweils im Zeitpunkt der Testamentserrichtung oder seines Todes wirksam ist.
Rz. 54
Durch die EuErbVO änderte sich in Bezug auf die Testamentsform im Wesentlichen nur, dass die lex rei sitae als zusätzliches Kriterium gem. Art. 27 Abs. 1 Buchst. e) EuErbVO für Immobilien neu eingeführt wurde.
3. Insbesondere: Qualifizierung von gemeinschaftlichem Testament und Erbvertrag
Rz. 55
Die Qualifizierung eines gemeinschaftlichen Testaments nach der EuErbVO als formelle oder materielle Gestaltung wird noch definitiv zu klären sein. Die eigenständige Regelung durch die EuErbVO deutet auf eine gesonderte Einordnung des gemeinschaftlichen Testaments aufgrund seiner sowohl inhaltlichen als auch formellen Besonderheiten hin. Durch die Möglichkeit der beschränkten Rechtswahl (Art. 24 Abs. 2 und Art. 25 Abs. 3 EuErbVO – nach den Kriterien des Art. 22 EuErbVO) wird nunmehr dem italienischen Erblasser die Möglichkeit eröffnet, gemeinschaftliche Testamente bzw. Erbverträge gültig abzuschließen.
Rz. 56
Nach materiellem italienischen Erbrecht sind Erbverträge und gemeinschaftliche Testamente nichtig (Verbote nach Art. 458, 589 c.c.). Deren Zulässigkeit wurde nach früherer Rechtslage aus italienischer und deutscher Sicht als materiell-rechtliche Frage, nicht als Formproblem qualifiziert. Unabhänig davon, ob man die Zulässigkeit für jeden Erblasser gesondert nach seinem Recht beurteilte oder man die Zulässigkeit nur annahm, wenn die Errichtungsstatute beider sie kumulativ bejahten, führte in aller Regel die einseitige Unzulässigkeit wegen der gegenseitigen Abhängigkeit/Bezogenheit der Verfügungen – anderes galt also nur bei rein einseitigen Verfügungen des deutschen Erblassers – zur Unwirksamkeit auch der Verfügungen des anderen. War also nur einer der beteiligten Erblasser Italiener, standen Erbvertrag und gemeinschaftliches Testament als Gestaltungsform grundsätzlich nicht zur Verfügung. Die Umdeutung eines Erbvertrages bzw. eines gemeinschaftlichen Testaments in Einzeltestamente kam nicht in Betracht. Italiener im Ausland können vor der zuständigen Auslandsvertretung ein öffentliches Testament errichten.
Rz. 57
Die EuErbVO brachte für das italienische Recht eine wichtige Klärung: Erbverträge sind nach Maßgabe von Art. 25 EuErbVO zulässig. Das gilt sowohl für den Fall, in dem der italienische Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, als auch für den Fall, dass der Vertragspartner deutscher Staatsangehöriger ist. Dies ergibt sich aus Art. 25 Abs. 3 EuErbVO. Zu beachten ist allerdings, dass der Begriff "Erbvertrag" nach der EuErbVO nicht mit den Begriff des it. patto successorio übereinstimmt, da gem. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) EuErbVO unter den europäisch-autonomen Begriff nur die sog. patti istitutivi (Verfügungsverträge) fallen, nicht hingegen die sog. patti dispositivi und patti rinunciativi. Letztere bleiben daher nach italienischem Recht unzulässig.
Rz. 58
Auch ein gemeinschaftliches Testament ist gem. Art. 24 EuErbVO zulässig. Da für die Zulässigkeit und Wirksamkeit an die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments (Art. 24 Abs. 1 EuErbVO) bzw. des Abschlusses des Erbvertrages (Art. 25 Abs. 1 EuErbVO) angeknüpft wird, scheidet eine mögliche Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung im Todeszeitpunkt auch beim Statutenwechsel aus.