Dr. Anton Wiedemann, Dr. Tereza Pertot
Rz. 220
Sowohl die Gewährung als auch die Höhe des assegno di divorzio stehen unter dem Vorbehalt der "rebus sic stantibus". Der italienische Gesetzgeber hat diesen Grundsatz teilweise in Gesetzesform gegossen. Bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse bei einem oder beiden Ehegatten kann jeder Ehegatte eine Abänderung des Urteils für die Zukunft beantragen. Das Gesetz sieht für die Gewährung des assegno keine Zeitgrenze vor. Das Gericht kann aber den assegno di divorzio nur zeitlich befristet gewähren, wenn der Wegfall der Anspruchsberechtigung bzw. der Zahlungsverpflichtung bereits absehbar ist.
Rz. 221
Präventiven Charakter hat die automatische Anpassung und wird bereits bei Zuspruch des assegno von Amts wegen bestimmt. Art. 5 Abs. 7 l. div. gibt dem Gericht bei Zuspruch des assegno die Befugnis, "eine automatische Anpassung des assegno zu bestimmen", die mindestens der jährlichen Inflationsrate entsprechen muss. Das heißt, das Gericht kann darüber hinaus für die Anpassung weitere Kriterien bestimmen. Denkbar wäre z.B. ein Kriterium, das den tatsächlichen Wert des ursprünglichen assegno bewahrt. Dem Gericht ist es jedoch verwehrt, als Anpassungskriterium auf die voraussichtliche jährliche Einkommenssteigerung beim verpflichteten Ehegatten abzustellen. Dies wäre eine unzulässige Fortsetzung der ehelichen Lebensverhältnisse. Das Gericht hat die Anpassung, die als notwendiger Bestandteil des assegno angesehen wird, auch ohne ausdrücklich darauf gerichteten Antrag anzuordnen. Es bestehen aber zwei Ausnahmen: 1. Wenn beide Ehegatten im Fall der einvernehmlichen Scheidung ausdrücklich die Anpassung ausschließen; 2. Im Fall der streitigen Scheidung nur ausnahmsweise bei Verstoß gegen die Billigkeit, was einer eingehenden gerichtlichen Begründung bedarf.
Rz. 222
Der italienische Gesetzgeber sieht weiter eine nachträgliche Abänderungsmöglichkeit vor, wenn sich neue Umstände ergeben oder sich die der ursprünglichen Entscheidung zugrunde liegenden Tatsachen ändern. Es handelt sich um den sog. procedimento di revisione, geregelt in Art. 9 Abs. 1 l. div. Die revisione setzt neue, sich erst nach dem Scheidungsurteil ergebende Umstände voraus. Diese müssen giustificati, d.h. erheblich und fundiert sein. Es bedarf daher einer Änderung der tatsächlichen Umstände, aufgrund derer die Entscheidung über den assegno erging. Eine Neubewertung von bei der Entscheidung bereits vorhandenen und bekannten Umständen reicht nicht. Bei der revisione darf daher kein neuer selbstständiger Vergleich der wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten durchgeführt werden. Die revisione kann auch dazu führen, dass kein assegno mehr gezahlt werden muss. Dem Gericht steht bei der Beurteilung der revisione ein großer Ermessensspielraum zu. Maßgebend für die Entscheidung ist letztlich wiederum eine beiderseitige Interessenabwägung. Die Hauptfälle in der Praxis betreffen das Eingehen einer neuen Ehe durch den verpflichteten ehemaligen Ehegatten, die Bildung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft durch den Begünstigten und die Insolvenz des Verpflichteten:
Rz. 223
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Neue Ehe des Verpflichteten. Eine neue Eheschließung durch den verpflichteten Ehegatten führt nach allgemeiner Auffassung in Rspr. und Lehre nicht zur Abänderung der assegno. |
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Nichteheliche Lebensgemeinschaft des begünstigten Ehegatten. Obwohl die nichteheliche Lebensgemeinschaft keine gegenseitigen Rechte und Pflichten der Lebenspartner begründet, überwiegt die Auffassung, dass die tatsächliche Unterstützung durch den nichtehelichen Lebenspartner und die damit verbundene Minderung der Bedürftigkeit des Begünstigten im Rahmen der revisione zu berücksichtigen ist. Dieser Auffassung ist zuzustimmen, weil ansonsten diejenigen bevorzugt würden, die allein wegen des bei Wiederverheiratung in Art. 5 Abs. 10 l. div. angeordneten Erlöschens des assegno von einer neuen Ehe absehen. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft muss sich verfestigt haben, d.h. dauerhaft und ernsthaft sein. Bei Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt der Unterhaltsanspruch nicht wieder auf. |
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Insolvenz des Verpflichteten. Auch die Insolvenz führt nicht zum automatischen Erlöschen des Anspruchs, sondern ist lediglich im Rahmen der revisione geltend zu machen. |
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Wiederverheiratung. Das Erlöschen des Anspruchs im Fall der Wiederverheiratung nach Art. 5 Abs. 10 l. div. basiert nicht nur auf der Überlegung, dass mit der neuen Ehe die Bedürftigkeit des Begünstigten entfällt, sondern auch darauf, dass der Begünstigte sonst in den Genuss von Rechten aus zwei verschiedenen Ehen käme. Die Begründung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft wird der Wiederverheiratung aufgrund des klaren Gesetzeswortlauts nicht gleichgestellt; die Rspr. behilft sich in diesem Fall – wie bereits oben erwähnt (siehe Rdn 197) – damit, dass sie die revisione für statthaft erklärt. |
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Tod des Verpflichteten. Mit dem Tod des Verpflichteten erlischt nach Art. 9 bis l. div. die Zahlungsverp... |