Dr. Anton Wiedemann, Dr. Tereza Pertot
1. Allgemeines
Rz. 206
Das l. div. regelt die Voraussetzungen des assegno di divorzio (Art. 5), die Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs (Art. 8) und den strafrechtlichen Schutz des Unterhaltsanspruchs (Art. 12 sexies). In Art. 5 l. div. benutzt der italienische Gesetzgeber den Begriff "assegno", ohne zu sagen, dass dieser "Scheck" die Funktion der Sicherstellung des Unterhalts des empfangenden Ehegatten hat. Der assegno di divorzio dient grundsätzlich dazu, einen Ausgleich für den wirtschaftlich schwächeren Ehegatten zu schaffen, wenn und soweit er zur Bildung und Schaffung der bestehenden ehelichen Lebens-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse beigetragen hat.
2. Unterhaltstatbestand
a) Funktion
Rz. 207
Art. 5 Abs. 6 l. div. n.F. sieht die Verpflichtung eines Ehegatten vor, dem anderen Ehegatten einen assegno zu gewähren, wenn Letzterer keine adäquaten Mittel hat oder diese infolge objektiver Umstände nicht besorgen kann. Zu dieser Voraussetzung des assegno di divorzio (mezzi adeguati e/o nell’impossibilità di procurarseli per ragioni obiettive) tritt als weitere Voraussetzung auf Seiten des unterhaltspflichtigen Ehegatten seine Leistungsfähigkeit (capacità a prestare del coniuge obbligato). Art. 5 Abs. 6 l. div behält mit einigen Änderungen die alten Kriterien bei. Er führt aber ein zusätzliches Kriterium ein: das Fehlen adäquater Mittel. Nach einer Auffassung ergäbe sich aus der Gesetzesneufassung die Unterstützungsnatur (funzione assistenziale) des assegno di divorzio, während die beiden anderen Funktionen – Entschädigungs- und Ausgleichsfunktion – nur für die Höhe Bedeutung haben. Anders haben sich jedoch die Vereinigten Senate des Kassationshofes ausgesprochen, wonach der assegno sowohl eine Unterstützungs- als auch eine Entschädigungs- und Ausgleichsfunktion habe (funzione assistenziale, compensativa und perequativa). Funktion des Scheidungsunterhalts sei, den schwächeren Ehegatten zu schützen, die Einkommensunterschiede zwischen den Ehegatten zu reduzieren bzw. auszugleichen und gleichzeitig dem vom Ehegatten zur Familie, zum Familienvermögen sowie zum Vermögen des anderen Ehegatten geleisteten Beitrag Rechnung zu tragen.
b) Die Rolle des Verschuldens
Rz. 208
Anders als bei der Trennung, wo gem. Art. 156 Abs. 1 c.c. Unterhalt nur demjenigen Ehegatten zugesprochen werden kann, dem die Trennung nicht zuzurechnen ist, spielt nach Art. 5 l. div. das Verschulden bzw. dessen Fehlen keine Rolle; es ist weder positiv noch negativ als Voraussetzung des assegno di divorzio genannt. Nur bei der Feststellung der Höhe des assegno wäre das Gericht berechtigt, das Verschulden eines der Ehegatten für die Ehescheidung zu überprüfen.
c) Das Fehlen von adäquaten Mitteln
Rz. 209
Es kommt nicht darauf an, ob der Antragsteller bedürftig ist. Abzustellen ist auch nicht auf den bisherigen ehelichen Lebensstandard. Vielmehr geht es darum, die durch die Scheidung entstandene Ungleichheit bzw. Unausgeglichenheit der wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten zu beseitigen. Dabei ist der Grad der Mitwirkung des antragstellenden Ehegatten am Zusammenleben und an der Vermögensbildung des anderen Ehegatten zu berücksichtigen. Die Dauer der Ehe und das Alter des Antragstellers spielen genauso eine Rolle.
d) Leistungsfähigkeit des verpflichteten Ehegatten
Rz. 210
Die Leistungsfähigkeit des verpflichteten Ehegatten ist im Gesetz nicht als ausdrückliche Tatbestandsvoraussetzung genannt. Sie ergibt sich aber indirekt aus Art. 5 Abs. 6 l. div., wo für die Feststellung des Fehlens adäquater Mittel darauf abgestellt wird, dass ein Ehegatte wirtschaftlich schlechter steht als der andere. Die Leistungsfähigkeit muss aufgrund derselben Kriterien beurteilt werden, die für die Höhe des assegno di divorzio gem. Art. 5 l. div. maßgebend sind. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, wonach dem verpflichteten Ehegatten ein bestimmter Betrag verbleiben muss, um den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten bzw. die eigene Versorgung nicht zu gefährden (sog. Selbstbehalt), findet sich im l. div. nicht. Nach der lediglich vollstreckungsrechtlichen Regelung des Art. 8 l. div. kann der berechtigte Ehegatte nur auf die Hälfte des monatlichen Einkommens eines im Staatsdienst tätigen unterhaltspflichtigen Ehegatten Zugriff nehmen.