I. Einleitung
Rz. 326
Geschäfte mit Grundstücksbezug, z.B. Grundstückskaufverträge, enthalten meist unterschiedliche Bestandteile, die im Falle einer Auslandsberührung nach verschiedenen Aspekten zu behandeln sind. Zu trennen sind zum einen die schuldrechtlichen Vereinbarungen von den dinglichen Rechtsgeschäften und Tatbeständen. Die schuldrechtlichen Erklärungen der Beteiligten werden grundsätzlich vom Schuldvertragsstatut beherrscht, die sachenrechtlichen Tatbestände wie der Eigentumsübergang und etwaige zugehörige Rechtsgeschäfte, z.B. die Auflassung, dagegen vom Sachenrechtsstatut. Daneben treten zum anderen verfahrensrechtliche Fragen. Diese betreffen wiederum einerseits eine etwa die Erklärungen aufnehmende Urkundsperson. So ist für einen deutschen Notar, soweit er im Einzelfall international zuständig ist, allein sein Verfahrensrecht, also BNotO und BeurkG, maßgeblich. Andererseits geht es um von den Beteiligten abgegebene Verfahrenserklärungen. Zu nennen ist dabei insbesondere eine Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung, die als prozessuale Willenserklärung nach dem Recht des Staates zu beurteilen ist, der sie durchsetzen muss. Vor allem sind hier als verfahrensrechtliche Erklärungen die für die Eintragung im Grundbuch erforderlichen, etwa Bewilligungen und Anträge, betroffen. Für sie gilt wie für das gesamte Grundbuchverfahren, dass das Grundbuchamt sein eigenes Grundbuchrecht anwendet (Lex fori), womit deutsche Grundbuchämter auch bei Auslandsberührung stets nach der GBO zu verfahren haben.
II. Der schuldrechtliche Vertrag
1. Staatsverträge
Rz. 327
Staatsverträge spielen im Bereich von Immobiliarverträgen keine Rolle. Das Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11.4.1980 bezieht sich nur auf Waren (bewegliche Sachen aller Art). Das Römische EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.6.1980 hatte für Deutschland keine unmittelbare Wirkung, ist jedoch inhaltlich weitgehend mit der Rom I-VO übereinstimmend.
2. Rechtswahl, Art. 3 Rom I-VO
a) Rechtswahlvereinbarung
Rz. 328
Art. 3 Rom I-VO geht für das internationale Schuldvertragsrecht vom Grundsatz der Rechtswahl aus. Die Rechtswahl ist ein eigener, kollisionsrechtlicher Vertrag, dessen Zustandekommen sich nach dem gewählten Recht beurteilt, Art. 3 Abs. 5 i.V.m. 10 Abs. 1 Rom I-VO. Für die einzuhaltende Form gilt dabei Art. 11 Rom I-VO, vgl. Art. 3 Abs. 5 Rom I-VO.
Rz. 329
Die von Art. 3 Rom I-VO gewährte Parteiautonomie ist grundsätzlich frei, d.h. die Parteien können das anwendbare Recht ohne Beschränkungen festlegen. Auch bei Verträgen über Grundstücke sind die Beteiligten nicht etwa an das Recht des Landes gebunden, wo das Grundstück belegen ist. Deshalb kann für ein in Deutschland belegenes Grundstück ausländisches Recht und ein im Ausland belegenes Grundstück deutsches Recht gewählt werden. Auch ein reines Inlandsgeschäft kann einem ausländischen Recht unterstellt werden, Art. 3 Abs. 3 Rom I-VO.
Rz. 330
Nach deutschem IPR unterliegt die Rechtswahl keinen besonderen Formanforderungen. Sie muss aber, wenn sie stillschweigend erfolgt, sich eindeutig aus den Bestimmungen des Vertrages oder den Umständen des Falles ergeben, Art. 3 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 Rom I-VO, und darf daher nicht vorschnell angenommen werden. Indizien in diese Richtung können z.B. Gerichtsstandsvereinbarungen sein oder die Inbezugnahme einer bestimmten Rechtsordnung, insbesondere durch Zugrundelegung von deren Vorschriften. Eine konkludente Rechtswahl hat die Rechtsprechung häufig angenommen, wenn zwischen deutschen Parteien mit inländischem Wohnsitz Verträge geschlossen wurden, auch wenn der betroffene Grundbesitz im Ausland belegen war.
Rz. 331
Eine (konkludente) Rechtswahl ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass nach der gewählten Rechtsordnung der Vertrag unwirksam ist, und zwar selbst dann, wenn die Parteien diese Unwirksamkeitsfolge kennen. Dies ist die konsequente Folge der Trennung von kollisionsrechtlicher Verweisungsvereinbarung und sachrechtlichem (Haupt-)Vertrag.
Nach Art. 3 Abs. 1 S. 3 Rom I-VO kann die Rechtswahl sich auch nur auf einen Teil des Vertrages beziehen, vorausgesetzt, der betroffene Teil weist eine gewisse Selbstständigkeit auf, d.h., er ist ohne widersprüchliche Ergebnisse abspaltbar.
Rz. 332
Die Rechtswahl richtet sich nur auf die Sachvorschriften des gewählten Rechts, Art. 20 Rom I-VO.