Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 29.04.2011; Aktenzeichen (576) 81 Js 3817/09 Ns (13/11)) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 29. April 2011 aufgehoben, jedoch bleiben die bisherigen Feststellungen zum äußeren Tathergang aufrechterhalten.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten wegen Volksverhetzung in zwei Fällen unter Einbeziehung einer anderweitig rechtskräftig verhängten Geldstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht durch das angegriffene Urteil verworfen. Die Revision des Angeklagten, mit der dieser die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat (vorläufigen) Erfolg.
1. a) Das Landgericht hat zum Sachverhalt Folgendes ausgeführt (Unterstreichungen im Original):
"In der Berufungshauptverhandlung ist derselbe Sachverhalt festgestellt worden, den das Amtsgericht festgestellt hat:
Der Angeklagte stellte im September 2009 kurz vor der Bundestagswahl auf dem in seinem Büro in der NPD-Zentrale vorgefundenen PC folgende Mitteilung in das Internet, welche am 22. September 2009 über die Internetadresse der NPD erreichbar war:
'Selbst Wahlkampf machen: Der Fünf-Punkte-Plan der NPD zur Ausländerrückführung: Flugblatt herunterladen, ausdrucken, kopieren und in der Nachbarschaft verteilen! ... Unsere Antwort ist ein Ausländerrückführungsprogramm. ... Sofortige Ausgliederung der in Deutschland lebenden und beschäftigten Ausländer aus dem deutschen Sozial- und Rentenversicherungssystem. ... Deutschland muss wieder deutsch werden.'
Das Flugblatt trägt die Überschrift '5-Punkte-Plan zur Ausländerrückführung' und hat im Einzelnen folgenden Inhalt:
'Die nachfolgenden fünf Punkte zeigen, daß trotz der gewaltigen Überfremdung gesetzliche Lösungen zur Rückführung der Ausländer in ihre Heimat möglich sind' sowie 'Deutschland muß wieder deutsch werden'.
Ebenfalls im September 2009 versandte der Angeklagte an parteipolitisch aktive Abgeordnete mit Migrationshintergrund der Berliner Bezirksverordnetenversammlungen folgende im Wortlaut identische Schreiben:
'Ihr Ausländerrückführungsbeauftragter informiert: Nichtamtliche Bekanntmachung über die geordnete Durchführung der Heimreise von Personen mit Migrationshintergrund in ihre Heimatländer:
Liebe ausländische Mitbürger,
gemäß dem Fünf-Punkte-Plan zur Ausländerrückführung bin ich als Ausländerrückführungsbeauftragter der NPD angehalten, Sie mit den Einzelheiten ihrer Heimreise vertraut zu machen: .... Eine bilaterale Regelung über die Einzelheiten der Heimkehr wird mit den betroffenen Staaten getroffen. Wir danken Ihnen für Ihre geleistete Arbeit und die kulturelle Bereicherung und wünschen Ihnen eine gute Heimreise. Ihr Ausländerrückführungsbeauftragter.'
ferner:
'Lesen Sie bitte auch das Kleingedruckte auf der Rückseite.'
Die Rückseite enthält gedruckt den 'Fünf-Punkte-Plan zur Ausländerrückführung' sowie folgenden Inhalt: 'Die Vorderseite ist kein amtliches Schreiben, sondern gibt die Meinung der NPD wieder. Herausgeber.: xxxx.'"
b) Das Landgericht hat angenommen, durch das Einstellen des 5-Punkte-Planes in das Internet sowie durch Versenden der Bekanntmachung an die Verordneten habe der Angeklagte in einer Weise, die geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören, sowohl zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufgestachelt, als auch zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen gegen diese aufgefordert, und dies wie folgt begründet:
"Die Flugblätter und die Schreiben (...) sind auf das Gröbste ausländerfeindlich, ferner feindlich gegen Deutsche mit Migrationshintergrund und sollen ersichtlich in der Bevölkerung für Unruhe sorgen, es wird 'Stimmung gemacht' sowohl gegen Ausländer als auch gegen Deutsche mit Migrationshintergrund, für diese wird Gewalt (Rückführung) und Willkür (Rückführung und Ausgliederung aus dem Sozial- und Rentensystem) gefordert. Daß das den öffentlichen Frieden zu stören geeignet ist und bestimmt war, bedarf zur Überzeugung des Berufungsgerichts keiner weiteren Begründung."
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand; die Feststellungen und Erwägungen des Landgerichts tragen die Verurteilung wegen Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht.
a) Nach den vom Landgericht als erfüllt angesehenen Varianten macht sich einer Volksverhetzung strafbar, wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufstachelt und zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen sie auffordert.
aa) Aufstacheln zum Hass gegen einen Teil der Bevölkerung ist ein auf die Gefühle oder den Intellekt des Adressaten abzielendes Verhalten, das über die bloße Ablehnung oder Verachtung hinausgeht und objektiv geeignet sowie subjektiv bestimmt ist, eine emotional gesteigerte feindselige Haltung gegen den bet...