Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen für einen Feststellungsantrag in Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz.
2. Die Beurteilung, ob ein das Feststellungsinteresse begründender Eingriff vorliegt, hat auf der Grundlage des vom Antragsteller behaupteten Sachverhalts zu erfolgen; ob der Sachvortrag tatsächlich zutrifft, ist eine Frage der Begründetheit.
3. Ein Feststellungsinteresse im Hinblick auf eine mögliche Verletzung der Menschenwürde ist dann zu bejahen, wenn ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG substantiiert geltend gemacht wird.
4. Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Belegung und Ausgestaltung von Hafträumen. 5. Für verfahrensgegenständliche Maßnahmen gilt, dass ihr Inhalt und insbesondere die die ablehnende Entscheidung tragenden Erwägungen im Beschluss der Strafvollstreckungskammer wiederzugeben sind (§ 115 Abs. 1 Satz 2 StVollzG).
6. Die Frage, ob die Unterbringung in einem Durchgangsgruppenhaftraum gegen die Menschenwürde verstößt, ist im Rahmen einer Gesamtschau anhand der konkreten die Haftsituation bestimmenden Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Größe des Raums, der Gestaltung des Sanitärbereichs, aber auch der Dauer der Unterbringung zu beurteilen; in Fällen einer nur vorübergehenden Unterbringung ist zudem zu berücksichtigen, ob die begrenzte Dauer der Unterbringung für den Betroffenen von vornherein absehbar war.
7. Im Justizvollzug ist ein umfassender Nichtraucherschutz zu gewährleisten, andererseits aber auch Gefangenen die Möglichkeit zum Rauchen einzuräumen, ohne zugleich die berechtigten Gesundheitsinteressen der Nichtraucher zu vernachlässigen.
8. Die konkrete Festlegung des insbesondere von der Bedürftigkeit und der Dauer der Strafhaft abhängigen Taschengeldbetrages bei dem einzelnen Strafgefangenen stellt eine Einzelmaßnahme der Justizvollzugsanstalt dar.
9. Die Beiordnung eines Rechtsanwaltes ist nicht veranlasst, soweit der Betroffene bereits mit seiner zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegten und begründeten Rechtsbeschwerde Erfolg hat.
10. Bei einer Verweisung nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG hat das verweisende Gericht - abgesehen von dem Fall des Fehlens einer Zuständigkeit der deut-schen Gerichtsbarkeit überhaupt - nicht zu prüfen, ob die speziellen Prozessvoraussetzungen für das Klageverfahren vor dem zuständigen Gericht oder die materiellrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen gegeben sind.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 17.05.2018; Aktenzeichen 593 StVK 338/16 Vollz) |
Tenor
1. Auf die Rechtsbeschwerde des ehemaligen Gefangenen wird der Beschluss des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 17. Mai 2018 im Umfang der Entscheidung über die Anträge zu 1., 2. und 3. aufgehoben.
2. Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde
a) bezüglich des Antrags zu 4. a) als unzulässig und
b) bezüglich des Antrags zu 4. b) als unbegründet
verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.
4. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird abgelehnt.
5. Die sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe im Verfahren vor dem Landgericht wird als unzulässig verworfen.
6. Die Beschwerde des ehemaligen Gefangenen gegen die Festsetzung des Streitwertes wird als unzulässig verworfen. Das Verfahren ist hinsichtlich der Streitwertbeschwerde gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
7. Auf die sofortige Beschwerde des ehemaligen Gefangenen wird der Beschluss des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 17. Mai 2018 insoweit aufgehoben, als bezüglich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs (Antrag zu 6.) eine Verweisung an die zuständige Zivilkammer des Landgerichts unterblieben ist. Die Sache wird insoweit zur Durchführung des Verfahrens nach Maßgabe des § 17a GVG an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.
Gründe
Der Beschwerdeführer verbüßte bis zum 5. November 2018 eine Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt O. Am 27. September 2016 wurde er nach mehrtägigem Sammeltransport, der mit dem Aufenthalt in verschiedenen Justizvollzugsanstalten verbunden war, zur Wahrnehmung eines Termins beim Verwaltungsgericht Berlin am 29. September 2016 an die Justizvollzugsanstalt Moabit überstellt. Von dort wurde er am 11. Oktober 2016 in die Justizvollzugsanstalt O. zurückverlegt.
Bei seiner Ankunft in der Justizvollzugsanstalt Moabit am 28. September 2016 wurde eine mit seiner Entkleidung verbundene körperliche Kontrolle durchgeführt. Sodann wurde er in einem Haftraum untergebracht, der über einen integrierten Sanitärbereich ohne gesonderte Lüftung und ohne Schamwand verfügte und einschließlich des Sanitärbereichs eine Größe von 7,28 qm hatte. Die Tür des Haftraums war mit einem Sichtspion ausgestattet. Vor den Fenstern befanden sich Vorsatzgitter. Am 28. September 2016 beantragte der Beschwerdeführer die sofortige Rückverle...