Leitsatz (amtlich)
Zur ergänzenden Testamentsauslegung nach dem Zivilgesetzbuch der DDR.
Normenkette
ZGB/DDR § 372; BGB § 2084
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 12.01.2007; Aktenzeichen 83 T 181/04) |
AG Berlin-Schöneberg (Beschluss vom 03.02.2004; Aktenzeichen 162/62 VI 5552/02) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 3.3.2004 gegen den Beschluss des AG Schöneberg vom 3.2.2004 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1) hat den Beteiligten zu 2) und 3) die ihnen im Beschwerdeverfahren vor dem LG entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Der Wert für das Verfahren vor dem LG wird auf 12.500 EUR festgesetzt.
Gründe
Die weitere Beschwerde ist zulässig, §§ 27 ff. FGG i.V.m. Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG. Das Rechtsmittel ist nicht fristgebunden. Eine Verwirkung des Beschwerderechts scheidet im Erbscheinsverfahren aus (Keidel/Sternal, FGG, 15. Aufl., § 21 Rz. 43 m.w.N.).
Die weitere Beschwerde ist auch begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem Rechtsfehler (§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG i.V.m. § 546 ZPO).
Rechtlich zutreffend hat das LG angenommen, dass sich die Erbfolge nach der Erblasserin für Grundvermögen im Beitrittsgebiet nach dem Zivilgesetzbuch der DDR richtet, Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB, Art. 28 EGBGB a.F. in entsprechender Anwendung i.V.m. §§ 25 Abs. 2, 29 RAG/DDR, §§ 1, 8, 15 Abs. 2 Nr. 2 EGZGB/DDR (vgl. BGH FamRZ 1995, 481; BGHZ 131, 22, 26 f.; KG DNotZ 1992, 445). Nach dem gemeinschaftlichen Testament vom 20.6.1954 ist U.M.H.I.W.(im Folgenden: W) gem. §§ 370 Abs. 1, 375 Abs. 1, 378, 379 Abs. 1 S. 1 ZGB/DDR Alleinerbin, wenn nicht für die am 3. A.19... geborene und am 8. A.19... verstorbene M.A.E.L.geb. P.(im Folgenden: L) und/oder die am 20. O.18... geborene und am 10. J.19... verstorbene E.(I.) D.geb. P.(im Folgenden: D) gem. §§ 379 Abs. 2, 378 ZGB/DDR Ersatzerben bestimmt sind. Insoweit ist das LG ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass sich die Bestimmung eines Ersatzerben auch aus einer ergänzenden Testamentsauslegung ergeben kann. Diese richtet sich nach dem Recht der DDR, weil das Erbstatut auch für die Auslegung eines Testaments maßgebend ist (Palandt/Thorn, BGB, 69. Aufl., Art. 25 EGBGB Rz. 12).
Eine ergänzende Testamentsauslegung ist nach dem Zivilgesetzbuch möglich. Gemäß § 372 ZGB/DDR ist dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Erblassers Geltung zu verschaffen. Dabei kommt auch eine "ergänzende Interpretation" des Testaments in Betracht, sofern dafür eine hinreichende Grundlage besteht (vgl. OG, NJ 1989, 81, 82); die zu § 2084 BGB entwickelten Auslegungsgrundsätze - auch zur ergänzenden Testamentsauslegung - können herangezogen werden (KG FamRZ 1996, 125 f.; 234 ff.; 1998, 124 ff.; BayObLG FamRZ 1994, 723 ff.; OLG Naumburg Rpfleger 1995, 415, 416). Aus der Abhandlung von Schweizer (NJ 1988, 505 ff.) ergibt sich nichts Anderes. In dieser wird eine erweiternde Auslegung des § 379 Abs. 1 S. 2 ZGB/DDR (nur) für die Fälle des gemeinschaftlichen Testaments befürwortet, in denen der ausgefallene Schlusserbe lediglich ein Nachkomme des Erstverstorbenen ist (vgl. auch BGH NJW-RR 2001, 1153, 1154). Es geht um die Auslegung der Vorschrift (§ 379 Abs. 1 S. 2 ZGB/DDR) und nicht um die individuelle, ggf. ergänzende Auslegung eines Testaments (§ 372 ZGB/DDR). Der in der Kommentierung (Autorenkollektiv, ZGB, 2. Aufl., § 372 a.E.) vertretene Vorrang spezieller Auslegungsregeln schließt eine individuelle Auslegung des Testaments zur Ersatzerbenbestimmung nach § 379 Abs. 2 ZGB/DDR nicht aus. Das neue Erbrecht der DDR sollte nicht nur einfach und überschaubar sein, sondern auch eine mit dem Willen des Erblassers übereinstimmende Verteilung des Nachlasses sichern (Eberhardt, NJ 1974, 732). Die vom AG eingeholten Stellungnahmen sind nicht erheblich. Insbesondere ist die nachträgliche Befragung von Personen, die an der Gesetzgebung beteiligt waren, auch in der DDR keine Methode der Rechtswissenschaft gewesen.
Die Feststellung des LG, die Töchter der L - die am 5. J.1... geborene, am 20. D.1... verstorbene U.B.geb. L.und die am 1... J.19... geborene Beteiligte zu 1) - seien als Ersatzerben für L eingesetzt, ist jedoch rechtlich zu beanstanden. Die Testamentsauslegung kann im Verfahren der weiteren Beschwerde nur darauf überprüft werden, ob das LG den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend ermittelt (§ 12 FGG), alle wesentlichen Umstände berücksichtigt (§ 25 FGG) und nicht gegen gesetzliche Auslegungs- oder Beweisregeln, Denkgesetze und feststehende Erfahrungssätze oder gegen Verfahrensrecht verstoßen hat; die tatsächlichen Folgerungen müssen nicht die einzig möglichen oder schlechthin zwingend sein (Keidel/Meyer-Holz, a.a.O., § 27 Rz. 42, 49 m.w.N.). Diesen Anforderungen hält die angefochtene Entscheidung nicht stand.
Das LG hat ausgeführt, W sei im Testament vom 20.6.1954 nur als Ersatzerbe für die am 1. S.18... geborene und am 19. J.19... verstorbene A.F.M.P.(im Folgenden: P) eingesetzt worden, so dass bezüglich des L zugedachten Erbt...