Leitsatz (amtlich)
1. Die Entscheidung über die Fortdauer einer stationären Maßregel muss innerhalb der Fristen des § 67e Abs. 2 StGB schriftlich zu den Akten gelangen. Eine nur mündliche Beschlussfassung genügt nicht.
2. Eine vom Gericht zu verantwortende Überschreitung der Prüffristen des § 67e Abs. 2 StGB um mehr als ein Jahr führt zur materiellen Unzulässigkeit der Vollstreckung.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 590 StVK 4/14) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Sicherungsverwahrten wird der Beschluss des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 30. April / 6. Mai 2015 aufgehoben, soweit darin die Fortdauer der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist.
Die Sache wird insoweit zur neuen Entscheidung - auch über die Kosten und Auslagen des Beschwerdeverfahrens - an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.
2. Auf die sofortige Beschwerde des Sicherungsverwahrten wird der Beschluss des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 30. April / 6. Mai 2015 aufgehoben, soweit darin der Antrag auf Unterbrechung der Maßregel zurückgewiesen worden ist.
Insoweit hat die Landeskasse Berlin die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdeführer in diesem Rechtszug entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
3. Die (Untätigkeits-) Beschwerde des Sicherungsverwahrten vom 29. April 2015 wird als unzulässig verworfen.
Insoweit hat der Beschwerdeführer die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
A.
Das Landgericht Berlin verurteilte den erheblich vorbestraften Beschwerdeführer am 19. Juni 2003 wegen sexuellen Missbrauchs eines Schutzbefohlenen in siebzehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten und ordnete zugleich seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an. ... Die Freiheitsstrafe war am 26. September 2008 vollständig verbüßt. Seit dem Folgetag wurde auf Grundlage des Beschlusses des Landgerichts Berlin vom 27. Juni 2008 gemäß § 67c StGB die Sicherungsverwahrung gegen den Beschwerdeführer vollzogen. Danach ordnete die Strafvollstreckungskammer wiederholt die Fortdauer der Sicherungsverwahrung an, zuletzt mit Beschluss vom 17. Mai 2013.
Anfang Januar 2014 beantragte die Staatsanwaltschaft Berlin gegenüber der Strafvollstreckungskammer die Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung. Im März 2014 terminierte der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer einen Anhörungstermin auf den 30. Mai 2014. Der weitere Verfahrensgang lässt sich wegen des ungeordneten Zustandes der Akte nur unvollständig rekonstruieren. Unklar ist schon wann - trotz darauf enthaltener Datumsangaben - Entscheidungen und Vermerke tatsächlich erstellt und vor allem aber fester - und damit auch für Dritte nachvollziehbarer - Teil der Akten geworden sind. So bestehen etwa Widersprüche zwischen Zeitangaben auf Vermerken und Entscheidungen einerseits und den Daten sich darauf beziehender weiterer Dokumente andererseits. Zum Teil befinden sich Schriftstücke nicht in chronologischer Reihenfolge, sondern sind (ausgehend von den auf ihnen befindlichen Zeitangaben) erst geraume Zeit (zum Teil gar mehrere Monate) später zu der Akte gelangt. Im Einzelnen:
Am 30. Mai 2014 verfügte der Vorsitzende der Strafvollstreckungskammer die Wiedervorlage der Akte zum 10. Juni 2014 mit dem Hinweis "Vermerk; Beschlussentwurf". Ein Vermerk über die Anhörung am 30. Mai 2014 gelangte zunächst nicht zur Akte. Am 9. August 2014 vermerkte der Vorsitzende, dass sich ein Beschluss zur Frage der Fortdauer der Sicherungsverwahrung wegen Überlastung des Vorsitzenden nicht zeitnah habe absetzen lassen und beraumte nach zwischenzeitlicher Änderung der geschäftsplanmäßigen Besetzung der Kammer einen erneuten Anhörungstermin für den 20. August 2014 an. Über das Ergebnis der Anhörung findet sich ein auf den 20. August 2014 datierter und von dem Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer unterschriebener Vermerk. Danach habe sich die Kammer am Schluss der Anhörung für die Fortdauer der Unterbringung entschieden. Wann der Vermerk zur Akte gelangte, lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen. Eine schriftliche Entscheidung der Kammer erging auch daraufhin zunächst nicht.
Mit Schriftsatz vom 5. März 2015 erhob die Verteidigerin gegenüber der Strafvollstreckungskammer vor allem im Hinblick auf die eingetretenen Verzögerungen Einwendungen gegen die weitere Vollstreckung der Maßregel und beantragte deren Unterbrechung. Mit Schriftsätzen vom 31. März und 27. April 2015 erinnerte die Verteidigerin an die Bearbeitung ihrer Eingabe und beantragte Akteneinsicht. Eine Reaktion der Kammer erfolgte hierauf ebenso wenig wie eine Weiterleitung des Antrags auf Vollstreckungsunterbrechung an die Staatsanwaltschaft Berlin. Mit Schriftsatz vom 29. April 2015 hat die Verteidigerin die Verzögerung des Verfahrens gerügt und gleichzeitig die verfahrensgegenständliche Untätigkeitsbeschwerde erhoben. Sie trägt u.a. vor, den Antrag auf Vollstreckungsunterbrechung am 29. April 2015 selbst der Staatsanwaltschaft Berlin zur dortigen En...