Leitsatz (amtlich)
Hat der Gerichtsvollzieher eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme (hier: Beseitigung von Bauwerken und Anpflanzungen) im Verfahren gem. § 885 ZPO durchgeführt, obgleich er den Gläubiger auf das Verfahren nach § 887 ZPO hätte verweisen müssen, so sind die entstandenen Auslagen nur insoweit gem. § 7 Abs. 1 GvKostG nicht zu erheben, als die entsprechenden Aufwendungen von dem Gläubiger in dem Verfahren nach § 887 ZPO nicht selbst getätigt worden wären.
Normenkette
GvKostG § 7 Abs. 1; ZPO §§ 885, 887
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 05.02.2007; Aktenzeichen 82 T 564/06) |
Tenor
Der Beschluss des LG Berlin vom 5.2.2007 wird geändert:
Auf die Beschwerde des Beteiligten wird unter Änderung des Beschluss des AG Köpenick vom 7.6.2006 die Erinnerung des Gläubigers vom 20.12.2005 gegen die Kostenrechnung des Gerichtsvollziehers vom 11.10.2001 zurückgewiesen.
Gründe
Das Rechtsmittel des Beteiligten ist in eine weitere Beschwerde umzudeuten (BGH, Beschl. v. 11.9.2008) und als diese gem. §§ 5 Abs. 2 S. 2, 7 Abs. 2 S. 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 4 GKG zulässig.
Die weitere Beschwerde ist auch begründet. Der Gerichtsvollzieher hat in seiner Kostenrechnung vom 11.10.2001 Kosten weder wegen unrichtiger Sachbehandlung noch aus sonstigen Gründen zu Unrecht erhoben.
I. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 GvKostG, nach dem Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben werden, liegen nicht vor.
1. Zweifel bestehen bereits daran, ob dem Gerichtsvollzieher eine unrichtige Sachbehandlung i.S.d. § 7 Abs. 1 GvKostG vorzuwerfen ist. Eine unrichtige Sachbehandlung ist entsprechend der zu § 21 GKG im Grundsatz gefestigten Rechtsprechung (Nachweise zu dieser bei Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, § 21 Rz. 10) nur anzunehmen, wenn der Gerichtsvollzieher gegen eindeutige gesetzliche Normen verstoßen hat und dieser Verstoß offen zu Tage tritt; dagegen rechtfertigt nicht jede irrtümliche Beurteilung die Anwendung dieser Vorschrift (Hartmann, Kostengesetze, 39. Aufl., § 7 GvKostG Rz. 3). Nach der Entscheidung des BGH vom 19.3.2004 über die Rechtsbeschwerde des Gläubigers steht zwar fest, dass der Gerichtsvollzieher bei der Vollstreckung eines Anspruchs auf Räumung und Herausgabe eines Grundstücks nicht berechtigt ist, Bauwerke und Anpflanzungen beseitigen zu lassen, weil der Beseitigungsanspruch nach § 887 ZPO zu vollstrecken ist. Ob der Gläubiger mit Erfolg geltend machen kann, dass die gegenteilige Verfahrensweise des Gerichtsvollziehers unvertretbar war, zumal er selbst die Rechtsauffassung des Gerichtsvollziehers bis in die Rechtsbeschwerde vertreten und verteidigt hat, erscheint zweifelhaft. Dies muss indessen nicht entschieden werden, weil es an den weiteren Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 GvKostG fehlt.
2. Es kann nicht festgestellt werden, dass die von dem Gerichtsvollzieher erhobenen Auslagen dem Gläubiger nicht entstanden wären, wenn der Gerichtsvollzieher gesetzesgemäß den Gläubiger für die Beseitigung der Baulichkeiten und Anpflanzungen auf das Verfahren nach § 887 ZPO verwiesen hätte.
Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, dass bei einem solchen Verfahren die Kosten für die Beseitigung der Baulichkeiten und Anpflanzungen jedenfalls nicht von dem Gerichtsvollzieher verauslagt und in Rechnung gestellt worden wären, weil der Gläubiger nach einem Ermächtigungsbeschluss gem. § 887 ZPO selbst ein Unternehmen hätte beauftragen können. Entscheidend ist vielmehr, ob die den Auslagen zugrunde liegenden Aufwendungen von dem Gläubiger nicht oder nicht in dieser Höhe getätigt worden wären. Denn durch § 7 GvKostG soll erreicht werden, den Verfahrensbeteiligten nicht mit den Kosten zu belasten, die er dann nicht zu zahlen hätte, wenn das betreffende Organ der Rechtspflege vorschriftsmäßig gehandelt hätte (zu dem insoweit inhaltsgleichen § 21 GKG: Oestreich/Winter/Hellstab, a.a.O., § 21 Rz. 4); Schutzzweck ist hingegen nicht, dem Gläubiger eine kostenfreie Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher zu ermöglichen, wenn er ohne den Gerichtsvollzieher ebenfalls Kosten für die Zwangsvollstreckung aufgewendet hätte.
Der rechtliche Ansatz des Beschwerdegerichts, Mehrkosten i.S.d. § 7 Abs. 1 GKG seien bereits deshalb gegeben, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Schuldner bei einem Vorgehen nach § 887 ZPO den Abriss selbst vorgenommen hätten, begegnet rechtlichen Bedenken. § 7 Abs. 1 GKG erfordert die Feststellung, dass die angefallenen Kosten bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht nur eine entsprechende bloße Möglichkeit. Die genannte Feststellung ist hingegen hier nicht zu treffen. Die Schuldner haben im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens, insbesondere auch mit dem Rechtsmittel gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss, nie geltend gemacht oder auch nur angedeutet, dass sie bei einem Vorgehen des Gläubigers nach § 887 ZPO Gebäude und Anpflanzungen selbst entfernt hätten. Eine solche Verteidigung hätte - sofern ein entsprechendes Vorbringen den Tatsachen ents...