Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Aktenzeichen 125 F 4506/06) |
AG Berlin-Hohenschönhausen (Aktenzeichen 53 AR 16/06) |
Gründe
Das Kammergericht ist zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit zwischen dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg - Familiengericht - und dem Amtsgericht Hohenschönhausen - Vormundschaftsgericht - in entsprechender Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO berufen, ohne dass es hierzu eines Antrags der antragstellenden Partei bedarf. Es ist allgemein anerkannt, dass der Zuständigkeitsstreit zwischen zwei Gerichten darüber, ob ein Verfahren eine Familiensache oder eine nach den Vorschriften der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu behandelnde Vormundschaftssache ist, nach den Regeln der ZPO (§ 36 Abs. 1 Nr. 6) zu behandeln ist (BGH NJW 1981, 126).
Die Voraussetzungen für die Zuständigkeitsbestimmung liegen vor, nachdem beide Gerichte sich durch formal unangreifbare Verfügungen für unzuständig erklärt haben.
Zuständig ist das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg - Familiengericht.
Denn bei dem, dem Verfahren zugrunde liegenden Gegenstand handelt es sich um eine Familiensache gemäß §§ 23 b Abs. 1 Ziff. 3 GVG, 621 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO. Das Verfahren betrifft die Regelung des Umgangs der Eltern mit einem Kind, für die nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs das Familiengericht zuständig ist. Die Zuständigkeit des Familiengerichts ergibt sich aus § 1684 Abs. 3 und 4 BGB; sie gilt auch im Falle des Bestehens einer Vormundschaft. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 1981, 659 und 1983, 1102) wonach sich auch dann, wenn das Personensorgerecht den Eltern gemäß § 1666 BGB entzogen worden ist, das Umgangsrecht materiell-rechtlich nach § 1634 a. F. (damalige Rechtslage; jetzt: § 1684 BGB) richtet, mit der Folge, dass die Umgangsregelung durch das Familiengericht zu treffen ist (so auch: Palandt/Diederichsen, BGB, 65. Aufl., 2006, Einf. v. § 1626 Rn. 5 und § 1800 Rn. 7; RGRK BGB, 12. Aufl., § 1800 Rn. 9; Erman/Holzhauer, BGB, 11. Aufl. § 1800 Rn. 11; Zöller-Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 621 Rn. 31; Stein-Jonas/Schlosser, ZPO, 21. Aufl. § 621 Rn. 18; anderer Ansicht: Soergel/Lange, BGB, 12. Aufl. § 1634 a. F. Rn. 32 u. 13. Aufl. § 1800 Rn. 5, 24 u. 25; Staudinger/Engler, BGB (2004) § 1800 Rn. 20 u. 22; Münchner Kommentar, BGB, 4. Aufl., § 1800 Rn. 1 u. 21 u. H. a. OLG Hamburg MDR 99, 164).
Dies gilt selbst dann, wenn die Anordnung der Vormundschaft durch das Vormundschaftsgericht ausgesprochen worden ist. Denn die Entscheidung des Gesetzgebers, der bewusst die Zuständigkeit des Familiengerichts in allen Fragen der Regelung des Umgangs der Eltern mit ihren Kindern angeordnet hat, ist zu beachten. Diese Rechtslage ist auch für den Fall - der hier allerdings nicht vorliegt, weil hier ein Elternteil, dem das Personensorgerecht entzogen ist, sein davon unabhängiges Umgangsrecht mit dem Kind einfordert - der Zuständigkeit des Familiengerichts gemäß §§ 1800, 1632 Abs. 2 BGB für Streitigkeiten maßgeblich, in denen es um die Durchsetzung des auf den Vormund übertragenen Rechts der elterlichen Sorge mit Hilfe des Familiengerichts geht.
Im vorliegenden Fall trifft auch der von der Gegenmeinung in der Literatur als Hauptargument vorgebrachte Grund, dass bei bestehender Vormundschaft das Vormundschaftsgericht auch für die Regelung des Umgangsrechts zuständig sein sollte, weil es aufgrund des vorangegangenen Verfahrens der Anordnung der Vormundschaft die größere Sachnähe und Kenntnis über die Verhältnisse besitzt, nicht zu. Denn der Entzug der elterlichen Sorge und die Übertragung der Personen- und Vermögenssorge für das Kind auf einen Vormund ist hier gemäß §§ 1666, 1666 a BGB ebenfalls durch das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg - Familiengericht - ausgesprochen worden. Gegenstand des Antrags des Kindesvaters ist hier auch nicht die Überprüfung der Ausübung des Umgangsrechts des Vormunds durch das zuständige Vormundschaftsgericht, sondern das originäre Umgangsrecht der leiblichen Eltern mit dem Kind gemäß § 1684 BGB, das der Kindesvater hier einfordert und über dessen Ausübung und Umfang das Familiengericht zu entscheiden hat.
Fundstellen
Haufe-Index 2602717 |
FamRZ 2006, 1773 |