Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuwiderhandlung gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Urteil vom 28.05.1998; Aktenzeichen 333 OWi 12/98) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 28. Mai 1998 wird verworfen.
Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Tatbestand
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Verletzung der Pflicht zur Bereithaltung von Unterlagen nach § 2 Abs. 3 des Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen (Arbeitsnehmer-Entsendegesetz – AEntG) vom 26. Februar 1996 (BGBl. I S. 227) – zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte vom 19. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3843, 3850) – und wegen einer fahrlässigen Verletzung der Pflicht zum Vorlegen von Anmeldungen nach § 3 AEntG gemäß §§ 5 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 AEntG, 20 OWiG zu Geldbußen von 1.500,– DM und 5.000,– DM verurteilt. Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung sachlichen Rechts. Er strebt an, daß der Senat das Verfahren aussetzt und die Sache gemäß Art. 177 (seit dem 1. Mai 1999: Art. 234) des Vertrages über die Europäische Union – EGV – dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorlegt, ob die Vorschriften des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind.
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
Nach den von dem Amtsgericht getroffenen Feststellungen ist der Betroffene portugiesischer Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz in seinem Heimatland. Er führt in Deutschland verantwortlich die Geschäfte eines in Portugal ansässigen Bauunternehmens, das vom 24. Februar 1997 bis zum 23. August 1997 mit der Ausführung von Putzarbeiten an einem Bauvorhaben am Potsdamer Platz in Berlin beauftragt war.
Aus Nachlässigkeit oder in Unkenntnis der Bestimmungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes unterließ es der Betroffene, 13 auf der Baustelle beschäftigte portugiesische Arbeitnehmer seiner Gesellschaft vor Beginn ihrer Tätigkeit bei dem zuständigen Landesarbeitsamt anzumelden. Die Meldungen erfolgten erst nach dem Abschluß der Arbeiten. Darüber hinaus kam der Betroffene der Aufforderung der Behörde zur Vorlage der Lohnunterlagen für die auf der Baustelle beschäftigten Arbeitnehmer mit dem Bemerken, die Unterlagen befänden sich in Portugal, nur zum Teil nach.
Entscheidungsgründe
II.
Nach diesen Feststellungen hat der Betroffene die aus § 2 Abs. 3 und § 3 AEntG folgenden Verpflichtungen, für deren Einhaltung er aufgrund seiner Stellung innerhalb des portugiesischen Bauunternehmens nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 OWiG einzustehen hatte, verletzt. Das zieht auch die Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel. Den nach dem Tatzeitraum in Kraft getretenen Änderungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes kommt für das vorliegende Verfahren keine Bedeutung zu. Ebensowenig kann zweifelhaft sein, daß dem Betroffenen Fahrlässigkeit zur Last fällt und ein zu seinen Gunsten zu unterstellender Verbotsirrtum für ihn vermeidbar war (§ 11 Abs. 2 OWiG). Auch die Bemessung der Geldbußen läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
III.
Der Erörterung bedarf mithin allein die Frage, ob der Senat, dessen Entscheidung selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann, nach Art. 177 Abs. 3 (jetzt: Art. 234 Abs. 3) EGV verpflichtet ist, über die Vereinbarkeit des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes mit dem Gemeinschaftsrecht eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen, und ob er, falls eine derartige Verpflichtung nicht besteht, gleichwohl Anlaß sieht, die Sache nach Art. 177 Abs. 2 (jetzt: Art. 234 Abs. 2) EGV dem Gerichtshof vorzulegen.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. u.a. EuGH NJW 1983, 1257) entsteht die in Art. 177 Abs. 3 (jetzt: Art. 234 Abs. 3) EGV bestimmte Vorlagepflicht für das innerstaatliche Gericht, wenn in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage des Gemeinschaftsrechts gestellt wird. Sie entfällt jedoch, wenn die betreffende gemeinschaftsrechtliche Vorschrift bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war. Das ist nicht nur anzunehmen, wenn die gestellte Frage bereits in einem gleichgelagerten Fall Gegenstand einer Vorabentscheidung gewesen ist. Vielmehr darf das innerstaatliche Gericht von der Vorlage immer absehen, wenn bereits eine gesicherte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, durch die die betreffende Rechtsfrage gelöst ist, vorliegt, gleich in welcher Art von Verfahren sich diese Rechtsprechung gebildet hat, und selbst dann, wenn die strittigen Fragen nicht vollkommen identisch sind (vgl. EuGH a.a.O. S. 1258).
Nach diesen Rechtsgrundsätzen besteht keine Verpflichtung des Senats zur Vorlage nach Art. 177 Abs. 3 (jetzt: Art. 234 Abs. 3) EGV. Ebensowenig sieht der Senat Anlaß, die Sache gemäß Art. 177 Abs. 2 (jetzt: Art. 234 Abs. 2) EGV vorzulegen. Er hält die Bedenken der Rechts...