Leitsatz (amtlich)
1. Mit dem am 1. August 2016 in Kraft getretenen "Gesetz zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften" (BGBl. I 2016, 1610) sind - unter anderem - die materiell-rechtlichen Maßstäbe, nach denen über die Erledigung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu entscheiden ist, konkretisiert worden.
2. Im Falle einer bereits sechs Jahre vollzogenen Unterbringung beschränkt die Neuregelung den Kreis der prognoserelevanten Taten in der Regel auf erhebliche Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden. Drohende einfache Körperverletzungen nach § 223 StGB, die hinsichtlich der Verletzungsfolgen nicht aus der Masse der in der täglichen Strafverfolgungspraxis zu beurteilenden Fälle herausragen, genügen danach regelmäßig nicht mehr. Ein hoher Schweregrad wird hingegen regelmäßig vorliegen, wenn Taten drohen, bei denen das Opfer Knochenbrüche, Gehirnerschütterungen oder großflächige Schürfwunden erleidet oder gar längerer stationärer Krankenhausbehandlung bedarf (vergleiche BT-Drucksache 18/7244, S. 34 f.; OLG Hamm, Beschluss vom 30. August 2016, 4 Ws 276/16, juris Rn. 3).
3. Im Überprüfungsverfahren nach § 67e StGB ist das Beschleunigungsgebot zu beachten.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 19.01.2017; Aktenzeichen 596 StVK 365/16) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Untergebrachten wird der Beschluss des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 19. Januar 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Landgericht Berlin - (517) 91 Js 1986/10 KLs (32/10) - ordnete mit Urteil vom 16. November 2010 im Sicherungsverfahren die Unterbringung der seit dem 2. Juni 2010 bereits vorläufig im Krankenhaus des Maßregelvollzugs untergebrachten Beschwerdeführerin in einem psychiatrischen Krankenhaus an (§ 63 StGB). Das Urteil ist seit dem 24. November 2010 rechtskräftig. Die Unterbringung dauert seither ununterbrochen fort.
Die Beschwerdeführerin hatte im Zeitraum vom 22. Februar 2010 bis zum 30. Mai 2010 insgesamt acht - teils versuchte - Körperverletzungsdelikte begangen. Sechs Taten hatte sie an unterschiedlichen Tagen zum Nachteil von Personal in einer psychiatrischen Klinik verübt. Sie hatte vor allem ihre Fäuste oder die flache Hand eingesetzt und damit in das Gesicht oder auf den Oberkörper geschlagen. Einmal hatte sie einen Porzellanbecher mit einem Heißgetränk nach einem Pfleger geworfen, der diesen im Gesicht und am Oberkörper getroffen hatte. Bei einer weiteren Tat hatte die Beschwerdeführerin eine ihr unbekannte Frau, die ihr im Treppenhaus ihres Wohnhauses begegnet war, durch einen Stoß mit dem Knie in den Genitalbereich, durch Schlagen mit dem Ellenbogen auf den Hinterkopf und durch heftiges Ziehen an den Haaren angegriffen. Eine andere Tat schließlich hatte sich gegen eine Polizeibeamtin auf einem Tankstellengelände gerichtet. Die Beschwerdeführerin hatte eine brennende Zigarette bewusst in Richtung des Gesichts der Polizeibeamtin geworfen und Brandverletzungen billigend in Kauf genommen. An den Tattagen hatte die Beschwerdeführerin jeweils unter den Symptomen einer schizoaffektiven Psychose (ICD-10: F 25) gelitten, aufgrund derer ihre Einsichts- und Steuerungsfähigkeit nicht ausschließbar aufgehoben waren. In dem Urteil der sachverständig beratenen Kammer wird ausgeführt, dass die psychische Erkrankung der Beschwerdeführerin durch erhebliche Einschränkungen in der Impulskontrolle gekennzeichnet sei, so dass die Gefahr plötzlicher aggressiver Ausbrüche gegenüber anderen Personen bestehe; neben der psychischen Erkrankung sei Alkoholmissbrauch (ICD-10: F 10.1) zu verzeichnen.
Für die weiteren Einzelheiten des bisherigen Verfahrensgangs nimmt der Senat auf seinen Beschluss vom 19. Juli 2016 - 5 Ws 96/16 - Bezug.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 19. Januar 2017 hat die Strafvollstreckungskammer erneut die Fortdauer der Unterbringung angeordnet und den Antrag der Untergebrachten auf Aussetzung der Maßregel zur Bewährung abgelehnt. Sie hat ferner die Untersuchung der Untergebrachten durch den Sachverständigen Dr. P. angeordnet. Die Untergebrachte soll darauf untersucht werden, ob bei ihr aus medizinischer Sicht die Gefahr besteht, sie werde außerhalb des Maßregelvollzuges infolge ihres Zustandes Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder in die Gefahr einer schweren körperlichen oder seelischen Schädigung gebracht werden.
Gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer wendet sich die Untergebrachte mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie macht geltend, die weitere Unterbringung sei unter Berücksichtigung der Anlasstaten und der bisherigen Länge der Unterbringung unverhältnismäßig.
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