Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuwiderhandlungen gegen das Arbeitnehmer-Entsendegesetz
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Urteil vom 10.09.1998; Aktenzeichen 333 OWi 93/98) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 10. September 1998 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) vom 26. Februar 1996 (BGBl. I Seite 227) nach § 5 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 dieses Gesetzes (Nichtgewährung des tariflichen Mindestlohnes) zu einer Geldbuße in Höhe von 30.000 DM und wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen die Anmeldepflichten aus § 3 Abs. 1 AEntG nach § 5 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 AEntG in zehn Fällen zu zehn Geldbußen von jeweils 2.000 DM verurteilt. Mit der hiergegen erhobenen Rechtsbeschwerde, mit der der Betroffene die Verletzung sachlichen Rechts rügt, erstrebt er vorrangig seinen Freispruch oder, daß der Senat das Verfahren aussetzt und die Sache gemäß Art. 177 (seit dem 1. Mai 1999: Art: 234) des Vertrages über die Europäische Union (EGV) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vorlegt, ob die Vorschriften des AEntG mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. Hilfsweise hat er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG zulässig und hat mit dem Hilfsantrag Erfolg. Die Feststellungen tragen nicht die Schuldsprüche und lassen auch keine abschließende Entscheidung des Senats zu.
I.
Nach den für das Rechtsbeschwerdeverfahren bindenden (vgl. BGHSt 26, 56, 62) Feststellungen des Amtsgerichts war der Betroffene, der portugiesischer Staatsangehöriger ist, im Jahr 1997 als verantwortlich Handelnder für das in Portugal ansässige Bauunternehmen „G. Lda.” in Deutschland tätig. In dieser Funktion schloß er am 2. April 1997 mit einem deutschen Bauunternehmen einen Nachunternehmervertrag ab, mit dem sich die von ihm vertretene Gesellschaft verpflichtete, Rohbauarbeiten für das Bauvorhaben Mariannenplatz 26 in Berlin-Kreuzberg auszuführen. Zwischen dem 1. April und dem 24. Juli 1997 setzte der Betroffene insgesamt 18 bei „G. Lda.” angestellte portugiesische Arbeitnehmer auf der Baustelle ein, wobei deren Arbeitsbeginn auf zehn verschiedene, im Urteil im einzelnen dargestellte Tage fiel. Diesen Arbeitern gewährte er zwar den zur Tatzeit im gesamten Land Berlin vorgeschriebenen Mindeststundenlohn von 17,00 DM, zog davon aber unterschiedlich hohe Kosten für Unterkunft, Verpflegung, Fahrten, Sozialversicherung, eine weitere Versicherung und Küche vom Stundenlohn ab. Außerdem meldete er den Einsatz der ausländischen Arbeitnehmer entgegen § 3 Abs. 1 AEntG weder zu Beginn der Bauarbeiten noch zu einem späteren Zeitpunkt dem zuständigen Arbeitsamt.
Entscheidungsgründe
II.
Daß die hier angewendeten Bestimmungen des AEntG nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen, hat der EuGH bereits mehrfach entschieden (vgl. EuGH NZA 2001, 554 – Mazzoleni u.a. –; EuZW 2000, 88 = NZA 2000, 85 – Arblade und Leloup – und die Übersicht bei Hanau in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht. 2. Aufl., § 1 AEntG Rdn. 3). Dies entspricht auch der deutschen höchst (vgl. BVerfG NJW 2000, 3704 = DB 2000, 1768; BGHSt 46, 17 = NJW 2000, 1880) und obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BayObLG NStZ-RR 2001, 52; OLG Karlsruhe, Beschluß vom 25. Juli 2001 – 3 Ss 159/00 – (zur Veröffentlichung in wistra vorgesehen); OLG Düsseldorf BB 2000, 1843 zu § 3 AEntG; a.A. AG Neubrandenburg NStZ-RR 2000, 150; zum umfangreichen Schrifttum vgl. die Nachweise bei Doppier, Die Vereinbarkeit des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes mit dem Europäischen Recht, S. 49 Rdn. 148, 149). Ebenso hat der Senat bereits mit ausführlicher, dem Verteidiger des Betroffenen bekannter Begründung entschieden, daß er weder nach Art. 234 Abs. 3 EGV verpflichtet ist, über die Vereinbarkeit der verfahrensgegenständlichen Bestimmungen des AEntG mit dem Gemeinschaftsrecht eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen, noch daß Anlaß dazu besteht, die Sache nach Art. 234 Abs. 2 EGV dem EuGH vorzulegen (vgl. Beschluß vom 20. März 2000 – 5 Ws (B) 648/98 –). Der vorliegende Fall weist keine Besonderheiten auf, die es nahelegen, anders zu entscheiden.
III.
1. Das angefochtene Urteil hat keinen Bestand, weil die Feststellungen in sich widersprüchlich sind. Zuerst heißt es, der Betroffene habe in der Zeit vom 1. April 1997 bis zum 24. Juli 1997 insgesamt 18 portugiesische Bauarbeiter eingesetzt (Seite 2 UA letzter Absatz). Dem schließt sich eine Aufstellung von 18 Personen an (der Arbeiter H. wird zweimal genannt), verbunden mit der Feststellung, daß diese ihre Arbeit auf der Baustelle an zehn verschiedenen Tagen aufnahmen, nämlich sieben Arbe...