Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbot der Schlechterstellung im Bußgeldverfahren
Orientierungssatz
Orientierungssätze:
1. Das Verschlechterungsverbot hindert das neue Tatgericht im neuen Rechtsgang nicht an der Verurteilung wegen einer für den Betroffenen nachteiligen Schuldform (hier Vorsatz statt Fahrlässigkeit), wohl aber an der Verhängung einer gegenüber dem ersten Rechtsgang höheren Geldbuße.
2. Wurde ein Zeuge im Ermittlungsverfahren nicht über sein Auskunfts- oder Zeugnisverweigerungsrecht belehrt, so erstreckt sich ein die Verhörsperson betreffendes Beweisverbot nur auf den Inhalt der Aussage des zur Verweigerung der Aussage berechtigten Zeugen, nicht aber auf dasjenige, was die Verhörsperson zu dem Zeugen aus Anlass der Vernehmung gesagt hat.
3. Das Hauptverhandlungsprotokoll muss weder den genauen Wortlaut der nach § 52 StPO erfolgten Belehrung noch denjenigen der dazu abgegebenen Erklärung des Zeugen enthalten.
4. Eine sich für längere Zeit im Ausland aufhaltende Person bleibt in der Regel Halterin ihres in Deutschland zugelassenen Kraftfahrzeugs, wenn sie die Fahrzeugpapiere und alle Fahrzeugschlüssel mit ins Ausland nimmt.
Normenkette
StPO §§ 52, 250, 252, 349 Abs. 2, § 358 Abs. 2 S. 1; OWiG §§ 71, 79 Abs. 3, 6
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 31.08.2022; Aktenzeichen 329 OWi 186/21) |
Tenor
I. Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 31. August 2022 wird mit der Maßgabe nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO verworfen, dass die Geldbuße auf 500 Euro herabgesetzt wird.
Nachdem das Amtsgericht die Betroffene wegen einer fahrlässigen Zuwiderhandlung gegen das Berliner Straßengesetz zu einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt und der Senat dieses Urteil wegen eines Verfahrensverstoßes aufgehoben und die Sache zurückverwiesen hatte, hat das Amtsgericht die Betroffene wegen vorsätzlicher Tatbegehung zu einer Geldbuße von 600 Euro verurteilt. An der für die Betroffenen nachteiligen Veränderung des Schuldspruchs (Vorsatz statt Fahrlässigkeit) war das Amtsgericht durch §§ 71 OWiG, 358 Abs. 2 Satz 1 StPO nicht gehindert (vgl. BGH NJW 1960, 732), wohl aber an einer Verschlechterung der Rechtsfolgen. Der Senat entscheidet insoweit nach § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst und setzt die Geldbuße auf 500 Euro herab.
Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde offensichtlich unbegründet. Die Erwiderung des Verteidigers vom 26. Januar 2023 lag vor, gab aber zu einer anderen Bewertung keinen Anlass. Erläuternd bemerkt der Senat:
1. Der Senat folgt der Bewertung der Generalstaatsanwaltschaft, dass die Rüge der prozessrechtswidrigen Verwertung der Bekundungen des Zeugen Y ohne Erfolg bleibt. Es ist offensichtlich, dass sich das von der Verteidigung angenommene Beweisverwertungsverbot keinesfalls auf alle, sondern nur auf solche zeugenschaftlichen Angaben erstrecken kann, die ihrerseits verfahrensrechtswidrig gewonnen sind. In Betracht kommen hier nur Bekundungen, welche der Zeuge Y in Bezug auf eine Aussage der (nicht über ein ihr gegebenenfalls zustehendes Schweigerecht belehrten) Betroffenen gemacht hat. Solche sind aber gar nicht Gegenstand der Urteilsfindung geworden. Zutreffend weist die Generalstaatsanwaltschaft darauf hin, dass nicht dasjenige, was die Zeugin gesagt hat, verwertet worden ist, sondern dasjenige, was der Zeugin durch den Zeugen Y gesagt worden ist.
2. Unabhängig davon, dass die Fehlerhaftigkeit des Protokolls keinesfalls zur Fehlerhaftigkeit des angegriffenen Urteils führen könnte, geht die Verteidigung mit ihrer Einschätzung, das Protokoll müsse den Wortlaut der nach § 52 StPO erfolgten Belehrung und zudem die "dazu abgegebene Erklärung des Zeugen" enthalten, fehl. Dies bleibt aber ohne Bedeutung, weil der behauptete Verfahrensfehler nicht bewiesen ist. Die Tatrichterin hat hierzu eine klare dienstliche Erklärung abgegeben, an deren Richtigkeit zu zweifeln kein Anlass besteht.
3. Die Würdigung, die Betroffene sei im Rechtssinn Halterin des Fahrzeugs gewesen, ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. Lediglich informatorisch teilt der Senat mit, dass er diese Bewertung, was im nur kassatorischen Rechtsbeschwerdeverfahren ohne Belang ist, auch für ausgesprochen überzeugend hält. Denn niemand außer der Betroffenen konnte das Fahrzeug nutzen, nachdem sie Schlüssel und Papiere mit ins Ausland genommen hatte (UA S. 4). Lediglich sie konnte durch den Akt der Herausgabe der Schlüssel sowie eine entsprechende Erklärung bestimmen, wer das Fahrzeug nutzt.
4. Auch die innere Tatseite ist ausreichend festgestellt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde wird sie auch durch die Beweiswürdigung getragen.
5. Fehlerhaft allerdings ist die Kostenentscheidung. Richtigerweise hätte die Betroffene nicht von den Kosten und Auslagen ihrer erfolgreichen Rechtsbeschwerde entlastet werden dürfen. Nachdem sie am Ende verurteilt worden ist, hätte sie auch diese Kosten zu tragen gehabt. Hinsichtlich der Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens gilt nämlich, da...