Leitsatz (amtlich)
Die in § 2 MauerG vorgesehene Berechtigung des Erwerbs ehemaliger Mauer- und Grenzgrundstücke zu 25 % des Verkehrswerts verstößt weder gegen die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) noch gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Der Bundesgesetzgeber war trotz der Inanspruchnahme der Mauergrundstücke durch die DDR-Behörden für offenkundig rechtsstaatswidrige Zwecke verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, eine gesetzliche Grundlage für die kostenfreie Restitution dieser Grundstücke zu schaffen.
Aus § 9 S. 1 der Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Staatsgrenze der DDR (Grenzverordnung) vom 25.3.1982 lässt sich kein Rechtsanspruch auf unentgeltliche Rückübereignung von ehemaligen Mauergrundstücken herleiten, den die Bundesrepublik Deutschland zu erfüllen hätte.
Hoheitsakte im Beitrittsgebiet, die zur Enteignung von Grundstücken für Verteidigungszwecke geführt haben, sind auch bei Verstoß gegen rechtsstaatliche Grundsätze grundsätzlich wirksam und können nur in einem Verwaltungsverfahren aufgehoben werden (Anschluss an KG v. 13.4.1992 - 24 W 555/92, MDR 1992, 873 = VIZ 1992, 321 und KG ZOV 1998, 134).
Ein Bekanntgabemangel im Rahmen einer Enteignung nach § 10 des DDR Verteidigungsgesetzes begründete nach dem maßgeblichen Verwaltungsrechtsverständnis der DDR (unter Einschluss der "gelebten Rechtswirklichkeit") nicht die Nichtigkeit des Enteignungsaktes (Anschluss an KG ZOV 1998, 134).
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 28.08.2003; Aktenzeichen 23 O 87/03) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 28.8.2003 verkündete Urteil des LG Berlin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1
Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Ergänzend ist anzumerken, dass die Rechtsvorgängerin der Kläger, Frau H.H., zum Zeitpunkt der Enteignung des streitgegenständlichen Grundstücks in H. wohnhaft war. Der Inanspruchnahmebescheid vom 25.9.1968 wurde ihr zu keinem Zeitpunkt zugestellt, eine Entschädigung wurde nicht festgesetzt.
Die Kläger rügen mit der Berufung, dass die angefochtene Entscheidung des LG auf einer Rechtsverletzung beruhe und die zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen würden. Soweit das LG die Klageabweisung darauf gestützt habe, dass die Kläger den Bescheid der Oberfinanzdirektion Berlin vom 19.9.1997 nicht angegriffen hätten, sei die Rechtsprechung zu § 44 VwVfg verkannt worden. Das LG habe sich nicht mit dem tragenden Begründungsansatz befasst, dass bei Außerachtlassung elementarer rechtsstaatlicher Grundsätze ein Verwaltungsakt nichtig sei. Eine Bindung der Gerichte an die Entscheidung der Oberfinanzdirektion Berlin bestehe ebenfalls nicht; eine solche Bindung würde gegen das Gewaltenteilungsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips verstoßen. Die Kondiktion des Kaufpreises sei auch nicht gem. § 814 BGB ausgeschlossen. Die hierfür erforderliche positive Kenntnis der Kläger hinsichtlich der fehlenden Verpflichtung zur Leistung des Kaufpreises liege nicht vor.
Im Übrigen wiederholen die Kläger in der Berufungsinstanz ihre bereits erstinstanzlich vorgetragene Rechtsauffassung, dass die Inanspruchnahme des streitgegenständlichen Grundstücks seitens der DDR-Behörden zum Zwecke des Mauerbaus niemals zu einem Eigentumsverlust zu Lasten ihrer Rechtsvorgänger geführt habe. Der alleinigen Zielrichtung beim Zugriff auf das Grundstück zur Sicherung des Mauerbaus hafte der Makel eines schlechthin untragbaren Ergebnisses an, der letztlich an den Eigentumsverhältnissen von Anfang an nichts geändert habe. Die Inanspruchnahme des Eigentums habe einen sittenwidrigen Zweck i.S.v. § 138 BGB verfolgt. Die Grenzanlagen hätten nicht der Grenzsicherung i.S.d. DDR-Verteidigungsgesetzes gedient, sondern allein dem Zweck, die Bevölkerung am Verlassen der DDR, notfalls unter Schusswaffengebrauch, zu hindern. Die Anwendung des Mauergrundstücksgesetzes (im Folgenden: MauerG) sei Kennzeichen einer Überschreitung des institutionellen Rechtsmissbrauchs, sie stelle einen Verstoß gegen die Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) und den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) dar. Der Grundstückskaufvertrag vom 16.12.1997 sei daher nichtig mit der Folge, dass den Klägern ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zustünde.
Die Kläger beantragen, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 76.758,97 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 31.10.2002 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die ...