Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Amtshaftungsanspruch bei Verzögerung eines gerichtlichen Verfahrens wegen unzureichender finanzieller Ausstattung der Justiz
Leitsatz (amtlich)
Eine Amtshaftungsklage wegen Verzögerungen eines gerichtlichen Verfahrens kann nicht darauf gestützt werden, dass der Haushaltsgesetzgeber die Justiz unzureichend ausgestattet habe.
Normenkette
BGB § 839
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 12.05.2005; Aktenzeichen 13 O 20/04) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 12.5.2005 verkündete Urteil des LG Berlin - 13 O 20/04 - geändert und die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt Schadensersatz vom Beklagten, weil er einen am 1.11.2002 beantragten Kostenfestsetzungsbeschluss vom AG S. erst am 16.4.2003 in vollstreckbarer Ausfertigung übersandt bekam und hieraus nicht mehr - wie noch aus dem voran gegangenen Versäumnisurteil - erfolgreich gegen seinen Schuldner vollstrecken konnte. Wegen der Anträge und der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, mit dem das LG der Klage stattgegeben hat (LG Berlin v. 12.5.2005 - 13 O 20/04, NJW 2005, 1811).
In der Berufungsinstanz verfolgen die Parteien ihre erstinstanzlichen Anträge weiter. Der Beklagte macht mit der Berufung geltend, die hinreichende Personalausstattung von Behörden und Gerichten sei keine Amtspflicht ggü. Dritten, und ergänzt seinen Vortrag zu Belastung und Zuteilung von Rechtspflegern und Schreibkräften bei den B. Gerichten und speziell beim AG S.
II. Die gem. § 511a Abs. 4 zugelassene Berufung hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Es fehlt an der Verletzung einer Amtspflicht ggü. dem Kläger i.S.v. § 839 BGB.
1. Die Klage kann nicht darauf gestützt werden, der Haushalt des Landes B. für die Jahre 2002 und 2003 habe zu niedrige Ansätze für die Bezüge der Beamten und Angestellten in der ordentlichen Gerichtsbarkeit vorgesehen. Bei der Verabschiedung des Haushaltes nimmt der Gesetzgeber - außer bei einem Maßnahme- oder Einzelfallgesetz, welches hier nicht vorliegt - ausschließlich Aufgaben ggü. der Allgemeinheit wahr, denen die Richtung auf bestimmte Personen oder Personenkreise fehlt. An dieser ständigen Rechtsprechung des BGH (BGH v. 7.7.1988 - III ZR 198/87, MDR 1989, 46 = NJW 1989, 101, zu I.2.a, m.w.N.) ist festzuhalten. Es fällt - auch wenn der Bürger im Hinblick auf das staatliche Gewaltmonopol auf eine funktionsfähige Justiz angewiesen ist - unter das Budgetrecht des Abgeordnetenhauses zu entscheiden, in welchem Umfang die vorhandenen finanziellen Mittel des Landes B. zur personellen und sachlichen Ausstattung der Gerichte oder zur Erfüllung anderer staatlicher Aufgaben eingesetzt werden. Die vom Grundgesetz garantierte Gewaltenteilung würde faktisch unterlaufen, wenn die (Haushalts-)Gesetzgebung von jedermann, der sich durch Verzögerungen eines gerichtlichen Verfahrens geschädigt sieht, durch eine Amtshaftungsklage zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden könnte. In ähnlichem Sinne hat der BGH (BGH v. 3.11.2004 - RiZ (R) 2/03, NJW 2005, 905) ausgesprochen, dass eine unzureichende haushaltsmäßige Ausstattung der Justiz keine Maßnahme der Dienstaufsicht i.S.v. § 26 Abs. 3 DRiG darstellt.
Zwar verlangt das Rechtsstaatsprinzip eine funktionsfähige Rechtspflege, wozu auch eine angemessene Personalausstattung der Gerichte gehört (BVerfG NJW 2000, 797), an der hier gezweifelt werden kann (BGH v. 3.11.2004 - RiZ (R) 2/03, NJW 2005, 905, zu I.2.aa). Daraus folgt aber keine drittbezogene Amtspflicht ggü. allen (gegenwärtigen oder künftigen) Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, entsprechende Etatmittel einzusetzen.
Eine Amtspflicht des Abgeordnetenhauses ggü. dem Kläger ergibt sich auch nicht aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), wonach jedermann Anspruch darauf hat, dass seine Sache innerhalb einer angemessenen Frist gehört wird. Daraus hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zwar hergeleitet, die Vertragsstaaten hätten ihr gerichtliches System so einzurichten, dass die Gerichte die Rechtssachen innerhalb angemessener Frist entscheiden können (EuGHMR v. 25.3.1999 - 25444/94, NJW 1999, 3545; NJW 2002, 2856). Dabei bezog sich der EGMR aber jeweils auf Verzögerungen, die den staatlichen "Behörden" zuzurechnen seien, und nicht auf das Verhalten der Legislative. Auch steht die EMRK im Rang eines einfachen Bundesgesetzes (BVerfG v. 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, zu Tz. 31, m.w.N.) und ist von daher nicht geeignet, dem deutschen Gesetzgeber Pflichten aufzuerlegen.
2. Ebenso wenig fällt der S.f.J. eine Verletzung von Rechten des Klägers zur Last. Zum einen obliegt die Pflicht einer Zentralbehörde, die zur Sachentscheidung zuständige Stelle in Stand zu setzen, dass sie ihren Aufgaben gehörig nachkommen kann, den betreffenden Amtsträgern nach gef...