Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichheitswidrige Sozialplanregelung zum Ausschluss ordentlicher Kündigungen. Unwirksame betriebsbedingte Kündigung bei Widerspruch gegen die Überleitung des Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
Eine Regelung in einem Sozialplan, die einen Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen vorsieht, davon aber diejenigen Beschäftigten ausnimmt, die der Überleitung ihres Arbeitsverhältnisses auf einen anderen Arbeitgeber widersprochen haben, verstößt gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 BetrVG mit der Folge, dass sich auch die dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprechenden Mitarbeiter auf den besonderen Kündigungsschutz berufen können.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 3; BetrVG §§ 75, 112 Abs. 1 S. 2, § 77 Abs. 3 S. 1; BGB § 613a Abs. 5; BetrVG § 75 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 26.05.2014; Aktenzeichen 19 Ca 2265/14) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 26. Mai 2014 - 19 Ca 2265/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung, die die Beklagte ausgesprochen hat, nachdem die Klägerin dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf eine andere Arbeitgeberin widersprochen hat.
Die am .....1963 geborene Klägerin, die ausgebildete Bankkauffrau ist, ist bei der Beklagten auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 15.10.1997 (Bl. 6 ff. d. A.) unter Anerkennung von Vorbeschäftigungszeiten im Konzern seit dem 16.01.1990 als Referentin nach der Tarifgruppe 9 im Bereich des Kundenbezogenen Kapitalmarktgeschäfts tätig. Die Beklagte ist ein Kreditinstitut aus dem Konzern der L. Berlin Holding AG, deren 100 %ige Tochter sie ist und Trägerin der Niederlassung Berliner S.. Sie beschäftigt ca. 4.300 Mitarbeiter. Zu ihren Geschäftsbereichen gehörten die Segmente "Private Kunden", "Firmenkunden", "Kapitalmarktgeschäft" und über die Berlin-Hannoversche H. AG das Segment "Immobilienfinanzierung".
Im Zuge des Umbaus der L. Berlin AG entschloss sich die Beklagte den Geschäftsbereich Kundenbezogenes Kapitalmarktgeschäft an die D.-Bank, AöR mit Sitz in Frankfurt zu übertragen. Unter Beteiligung des bei ihr gebildeten Betriebsrates und unter Beteiligung des Personalrats der D.-Bank schloss die Beklagte mit Datum vom 29.08.2013 mit dieser einen Personalüberleitungsvertrag anlässlich der Übertragung des Kundenbezogenen Kapitalmarktgeschäfts, der in Teil A einen Interessenausgleich und in Teil C einen Sozialplan enthält zum Ausgleich oder zur Milderung der sich durch einen Wechsel zur D.-Bank sowie des Arbeitsortes von Berlin nach Frankfurt ergebenden wirtschaftlichen Nachteile sowie in seiner Anlage 1 die diesem Geschäftsbereich am Stichtag 18.07.2013 zugeordneten 137 Mitarbeiter namentlich benennt. Für den Überleitungsvertrag im Einzelnen einschließlich seiner Anlage 1 wird auf Bl. 62 - 69 d.A. Bezug genommen.
Außerdem schloss die Beklagte nach Verhandlungen mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat ebenfalls unter dem Datum vom 29.08.2013 eine Betriebsvereinbarung über den Ausgleich und die Milderung wirtschaftlicher Nachteile im Zuge der Ausrichtung der L. Berlin AG auf die Berliner S. (Sozialplan), für deren Einzelheiten auf Bl. 88 ff. d. A. Bezug genommen wird. Nach dieser Vereinbarung ist der Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen während der Laufzeit des Sozialplans (31.12.2016) ausgeschlossen, wobei dies nicht für diejenigen Beschäftigten gelten sollte, die nach dem mit der D.-Bank abgeschlossenen Personalüberleitungsvertrag auf diese übergehen sollten und einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprochen hatten. (3.2 der Betriebsvereinbarung).
In einem gemeinsamen Schreiben vom 27.09.2013 (Bl. 97 ff. d. A.), das der Klägerin am selben Tag ausgehändigt wurde, informierten die Beklagte und die D. Bank die Klägerin über den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses zum 01.01.2014. Mit Schreiben vom 25.10.2013, der Beklagten zugegangen am selben Tag, widersprach die Klägerin - wie eine Reihe anderer Mitarbeiter - einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die D. Bank. Eine Anerkennung der Klägerin als Härtefall wegen der Pflegebedürftigkeit ihrer Tante und ihres Vaters lehnte die Beklagte ab. Bewerbungen der Klägerin ab Sommer 2013 auf verschiedene Stellenausschreibungen der Beklagten sowie der Berlin H. blieben erfolglos.
Mit Wirkung zum 01.01.2014 übertrug die Beklagte das Kundenbezogene Kapitalmarktgeschäft auf die D.-Bank. Einzelne dem Kundenbezogenen Kapitalmarktgeschäft zugeordnete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigte die Beklagte auf zum Jahreswechsel im Bereich "Zentrales Management Private Kunden" (ZMPK) neu geschaffenen Stellen weiter.
Mit Schreiben vom 20.01.2014 (Bl. 139 ff. d. A.) informierte die Beklagte den Betriebsrat über eine beabsichtigte ordentliche Kündigung der Klägerin mit einer Kündigungsfrist von sechs Monat...