Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht des Arbeitgebers zur Anpassung der Betriebsrenten an die Entwicklung der gesetzlichen Renten aufgrund einer Betriebsvereinbarung
Leitsatz (amtlich)
Anpassung der Betriebsrente auf der Grundlage einer betrieblichen Versorgungsordnung (Abweichung von Hessischem Landesarbeitsgericht 22.02.2017 - 6 Sa 972/16 - Rn. 74)
Leitsatz (redaktionell)
1. Sieht eine Versorgungsordnung vor, dass sich die zugesagten Versorgungsbezüge jährlich entsprechend der Anpassung der gesetzlichen Renten erhöhen, sofern der Arbeitgeber keine hiervon abweichende Entscheidung trifft, so liegt ein Anspruch mit einem Änderungsvorbehalt vor. Ein solcher Vorbehalt kann grundsätzlich auch in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden.
2. Die Auslegung der konkreten Versorgungsordnung ergibt, dass der Arbeitgeber von diesem Vorbehalt nur unter engen Voraussetzungen Gebrauch machen kann. Die Anpassung entsprechend der gesetzlichen Renten darf "nicht vertretbar" sein. Hierfür muss der Arbeitgeber darlegen, dass seine eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihm eine Anpassung im eigentlich geschuldeten Umfang nicht ermöglicht (Abweichung vom Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 22.02.2017 - 6 Sa 972/16 -).
3. Weiterhin ergibt die Auslegung der Versorgungsordnung, dass nicht nur die Pensionsergänzung, sondern die Gesamtversorgungsbezüge gemäß der Entwicklung der gesetzlichen Renten anzupassen sind. Dies bezieht auch die Rentenleistungen aus einer konzerneigenen Pensionskasse mit ein.
Normenkette
BetrAVG § 16
Verfahrensgang
ArbG Duisburg (Entscheidung vom 27.11.2017; Aktenzeichen 1 Ca 362/17) |
Nachgehend
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 27.11.2017 - 1 Ca 362/17 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es sich bei den ausgeurteilten Beträgen um Bruttobeträge handelt und dass die gerichtlichen Kosten erster Instanz dem Kläger und der Beklagten zu jeweils 50% auferlegt werden.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Anpassung der Versorgungsbezüge des Klägers zum 01.07.2015 und zum 01.07.2016.
Die Beklagte ist ein Lebensversicherungsunternehmen, das in den deutschen H. Konzern eingebunden ist. Sie ist Rechtsnachfolgerin der W. Deutsche Lebensversicherungs AG (im Folgenden: W.). Muttergesellschaft der Beklagten ist die H. Deutschland AG. Neben der Beklagten gibt es als weitere Versicherungsgesellschaft die H. Versicherung AG. Der am 10.12.1946 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.04.1985 bis zum 31.12.2007 bei der W. beschäftigt.
Der Kläger bezog seit dem 01.01.2008 zunächst von der W. und später von der Beklagten eine Betriebsrente aufgrund des Versorgungsfalls Alter, die monatlich zum Ersten zu zahlen war. Grundlage der an den Kläger gewährten Betriebsrente war der Tarifvertrag über die betriebliche Versorgungsordnung vom 01.04.1985 (im Folgenden VO 85). Bei der W. hatte es ursprünglich ein im Wege einer Betriebsvereinbarung vereinbartes "Betriebliches Versorgungswerk", welches Regelungen über die Gewährung einer Gesamtversorgung beinhaltete, gegeben. Die hierzu vereinbarten Ausführungsbestimmungen (BVW-A) enthielten folgende Bestimmung über eine Anpassung der Betriebsrenten:
"§ 6 Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse
1.Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst. (Der § 49 AVG ist durch Artikel Ziffer 1 §§ 65 und 68 SGB (VI) neu gefasst worden. Die Änderung ist am 01.01.92 in Kraft getreten).
2.Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.
3.Hält der Vorstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte / des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll.
Der Beschluss ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1.
..."
Für Mitarbeiter, die ab dem 01.04.1985 eingestellt wurden, galt stattdessen der VO 85. In diesem hieß es u.a.
"§ 1 Geltungsbereich
1. Diese Versorgungszusage gilt für die Arbeitnehmer der W. Unternehmensgruppe; ...
2. Diese Versorgungszusage gilt nicht für diejenigen Arbeitnehmer, die bis zum 31.03.85 Arbeitnehmer im Sinne der Ziffer 1 geworden sind.
3. ... Die W. Unternehmen behalten sich aber vor, durch Beschlüsse im Vorstand und im Aufsichtsrat die Leistungen zu kürzen oder einzustellen wenn die bei Erteilung der Versorgungszusage maßgeblichen Verhältnisse sich nachhaltig so wesentlich geändert haben, dass den W. Unternehmen die Aufrechterhaltung der zugesagten Leistungen auch unter objektiver Beachtung der Belange des Versorgungsberechtigten nicht mehr zugemutet werden kann.
...
§ 6 Anpassung de...