Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Verfall des Zeugnisanspruchs
Leitsatz (redaktionell)
1. Beim Ausscheiden ist das sog. einfache Zeugnis, das sich nur auf Art, Umfang und Dauer der Tätigkeit des Angestellten erstreckt, fällig, ohne daß es vom Arbeitgeber gefordert werden muß. Ein qualifiziertes Zeugnis, das auch über Leistung und Führung des Angestellten erschöpfend Auskunft gibt, ist nur auf seinen Wunsch auszustellen. Es wird erst fällig, wenn der Angestellte gegenüber dem Arbeitgeber den Wunsch äußert, ein Zeugnis zu erhalten, das auch über seine Leistung und Führung Auskunft gibt.
2. Schon allein darauf folgt, daß der Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses nicht den tariflichen Verfallfristen des § 16 Nr. 1 und 2 des Rahmentarifvertrages für kaufmännische und technische Angestellte im Dachdeckerhandwerk - Dach-, Wand- und Abdichttechnik - vom 21.01.1986 unterliegt. Allgemeine Ausschlußklausel erfassen nicht den Zeugnisanspruch als Stammrecht, sondern regeln nur den Verfall von geldwerten Ansprüchen
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Ausstellung eines qualifizierten Zeugnisses sowie die Auszahlung des anteiligen 13. Monatsgehaltes.
Die Beklagte ist ein Unternehmen des Dachdeckerhandwerks. Bei ihr war der Kläger vom 01.01.1981 bis zum 30.09.1987 beschäftigt. In der Zeit vom 23.10.1981 bis 31.08.1982 war er als gewerblicher Arbeitnehmer tätig, ehe er in ein Angestelltenverhältnis übernommen wurde. Zuletzt war er als Betriebsleiter zu einem monatlichen Bruttogehalt von 3.161,00 DM beschäftigt. Mit Vereinbarung vom 01.07.1987 ist das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher, betriebsbedingter Kündigung beendet worden.
Mit seiner beim Arbeitsgericht am 04.08.1988 eingegangenen Klage hat der Kläger Zeugniserteilung sowie 2/3 des sogenannten 13. Monatsgehaltes geltend gemacht. Mit Schreiben vom 30.03.1988 hatte der Kläger zunächst um Ausstellung eines Arbeitszeugnisses und Zahlung des tariflichen 13. Monatsgehaltes gebeten und diese Aufforderung mit Anwaltsschreiben vom 16.06.1988 wiederholt. Die Beklagte verweigerte beides mit dem Hinweis auf einen kraft betrieblicher Übung angewendeten Tarifvertrag des Dachdeckerhandwerks.
Der Kläger hat bestritten, daß der Rahmentarifvertrag für kaufmännische technische Angestellte im Dachdeckerhandwerk kraft betrieblicher Übung auf das Arbeitsverhältnis zur Anwendung gelangt.
Der Kläger hat beantragt:
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1. |
Die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen, das sich auf Art und Dauer der Beschäftigung sowie Leistung und Führung erstreckt; |
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2. |
Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.307,33 DM brutto zu zahlen. |
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Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf die Ausschlußfristen des § 16 des Rahmentarifvertrages für kaufmännische und technische Angestellte im Dachdeckerhandwerk und darauf berufen, daß sie mindestens seit Mitte 1976 auf die Arbeitsverhältnisses sämtlicher Arbeitnehmer die Rahmentarifverträge im Dachdeckerhandwerk anwende.
Das Arbeitsgericht Bocholt/Gerichtstag Ahaus hat durch Urteil vom 30.08.1990 (3 Ca 261/90) die Klage abgewiesen, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Wert des Streitgegenstandes auf 5.768,33 DM festgesetzt.
Es hat zur Begründung im einzelnen ausgeführt, daß alle wesentlichen Vorschriften der Rahmentarifverträge des Dachdeckerhandwerks von der Beklagten auf die Arbeitsverhältnisse angewandt würden. Der Kläger habe nicht eine einzige Ausnahme als Abweichung unter die tariflichen Ansprüche darstellen können, nicht einmal die Nichtanwendung von Ausschlußfristen bei anderen Arbeitnehmern. Somit sei von der Anwendbarkeit der Tarifverträge des Dachdeckerhandwerks auszugehen. Der Kläger habe hierbei beide Verfallfristen der zweistufigen Klausel des § 16 des Rahmentarifvertrages für kaufmännische und technische Angestellte im Dachdeckerhandwerk vom 12.03.1984 verstreichen lassen. Folglich sei seine Klage abzuweisen gewesen.
Gegen das ihm am 26.09.1990 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.10.1990 Berufung eingelegt und diese am 30.10,1990 begründet.
Er meint, daß Arbeitsgericht gehe zu Unrecht davon aus, daß seine Ansprüche aufgrund des § 16 des Rahmentarifvertrages für die kaufmännischen und technischen Angestellten im Dachdeckerhandwerk vom 12.03.1984 verfallen seien. Bei der Begründung, daß der Rahmentarifvertrag aufgrund der betrieblichen Übung vereinbart worden sei, habe das Arbeitsgericht die rechtliche Begründung einer betrieblichen Übung verkannt. Nach allgemeiner Meinung werde durch eine betriebliche Übung dann etwas vereinbart, wenn die Grundsätze, nach denen auch schuldrechtliche Verträge zustande kämen, vorlägen. V0raussetzung danach sei einerseits eine entsprechende Erklärung und andererseits die Annahme einer solchen Erklärung. Für die Abgabe einer entsprechenden Willenserklärung seitens eines Arbeitgebers sei als Mindestmaß Voraussetzung, daß nach außen kenntlich und für die Arbeitnehmer ein bestimmtes Verhalten erkennbar sei, aus dem der Schluß gezogen werden könne, daß...