Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff der Provisionsvereinbarung. Inhaltskontrolle einer formularmäßigen Zielvereinbarung im Arbeitsvertrag eines abhängig beschäftigten Vertriebsmitarbeiters
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Provisionsvereinbarung liegt auch dann vor, wenn für einen Provisionsanspruch neben der Vermittlung von Geschäften noch ein bestimmtes wirtschaftliches Ergebnis aus diesen Geschäften, das wiederum jährlich als Ziel vereinbart wird, Voraussetzung ist.
2. Eine solche Regelung unterliegt keiner Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Normenkette
BGB § 307; HGB §§ 65, 87
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Entscheidung vom 09.11.2016; Aktenzeichen 10 Ca 870/16) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 9. November 2016 (10 Ca 870/16) abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.614,54 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit 1. März 2016 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 39 %, der Beklagte zu 61 %.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen.
Die Klägerin ist ein Systemhaus und spezialisiert auf IT- und Druckkonzepte. Der Beklagte war bei ihr vom 1. Januar 2013 bis zum 15. September 2015 als Vertriebsmitarbeiter beschäftigt. Grundlage war ein schriftlicher, undatierter Arbeitsvertrag (wegen der Einzelheiten vgl. Anlage S&J1 zur Klageschrift, Bl. 8 ff. d. A.), der in § 6 zur Vergütung folgende Regelung enthielt:
§ 6
Arbeitsvergütung, Provision und Dienstwagen
1)
Der Arbeitnehmer erhält ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 3.000,-- Euro. Darüber hinaus erhält der Arbeitnehmer eine Provision nach der zu diesem Vertrag genommenen gesonderten Provisionsvereinbarung.
In der für das Jahr 2015 unter dem 17. Februar 2015 zwischen den Parteien getroffenen "Vereinbarung über die Gewährung einer Vermittlungsprovision" (wegen der Einzelheiten vgl. Anlage S&J2 zur Klageschrift, Bl. 14 ff. d. A.; im Folgenden "Provisionsvereinbarung") heißt es hierzu im Einzelnen:
Präambel
Ziel dieser Vereinbarung ist es, den Rohertrag des gemeinsamen Einsatzes und Handelns zum Wohl des Unternehmens und seiner Arbeitnehmer zu sichern und zu steigern. Hieran soll der Arbeitnehmer unmittelbar teilhaben.
§ 1 Zielvereinbarung und Bedingung für eine Vermittlungsprovision
(1)
Der Anspruch auf die Gewährung einer Vermittlungsprovision über die im Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung hinaus gemäß den Regelungen in §2 setzt als aufschiebende Bedingung voraus, dass der Arbeitnehmer mindestens 60 v.H. des vereinbarten Ziels und auf seine Vermittlungstätigkeit, im Sinne des §4 dieser Vereinbarung, zurückzuführenden Deckungsbeitrag I gemäß der Definition nach §6 dieser Vereinbarung.
(2)
Die in § 1 (1) genannte Zielvereinbarung wird jeweils jährlich für ein Kalenderjahr zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer vereinbart. Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer verpflichten sich, jeweils rechtzeitig zum Jahresende für das Folgejahr eine neue Zielvereinbarung abzuschließen. Kommt eine Einigung über die neue Zielvereinbarung für das Folgejahr nicht zustande, gilt bis zum Zustandekommen einer neuen Zielvereinbarung die zuletzt gültige Zielvereinbarung fort.
(3)
Für das Jahr 2015 vereinbaren die Parteien ein Ziel im Sinne des § 1 (1) und (2) in Höhe von 300.000,-- Euro.
Mit dieser Maßgabe vereinbaren die Arbeitgeber und der Arbeitnehmer die nachfolgenden Regelungen:
§ 2 Vermittlungsprovision
Der Arbeitnehmer erhält neben dem monatlichen Grundgehalt gem. § 6 des Arbeitsvertrages vom 01.01.2013 eine monatliche Vermittlungsprovision in Höhe von 18 % des Deckungsbeitrages I im Sinne des § 5 dieser Vereinbarung, die sich aus allen provisionspflichtigen Geschäften in Sinne des § 3 Abs. 1 dieser Vereinbarung ergeben. Bei Zielerreichung erhält der Arbeitnehmer eine Prämie in Höhe von 10.000,-- Euro. Deckungsbeiträge über 300.000,-- Euro werden mit 25 % verprovisioniert. ...
§ 4 Provisionspflichtige Geschäfte
(1)
Provisionspflichtige Geschäfte sind solche, die der Arbeitnehmer während seins Arbeitsverhältnisses vermittelt. ...
(4)
Für Geschäfte, die innerhalb von drei Monaten nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgeschlossen werden, entsteht ein Provisionsanspruch, wenn der Arbeitnehmer diese Geschäfte noch während seines Arbeitsverhältnisses vermittelt oder eingeleitet und so vorbereitet hat, dass der Abschluss überwiegend auf seine Tätigkeit zurückzuführen ist. Der Provisionsanspruch steht einem in die Position des Arbeitnehmers nachfolgenden Arbeitnehmer anteilig zu, sofern wegen besonderer Umstände eine Teilung der Provision der Billigkeit entspricht.
§ 5 Entstehung und Wegfall des Provisionsanspruchs
(1)
Der Anspruch auf Provision entsteht, sobald und insoweit der Kunde seine Gegenleistung erbracht hat.
Unabhängig davon hat der Mitarbeiter einen Anspruch auf Provisionsvorschuss.
(2)
Als Provisionsvorschuss zahlt die Gesellschaft an den ...