Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer aus betrieblichen Gründen erklärten arbeitgeberseitigen Kündigung. Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs
Leitsatz (redaktionell)
Die arbeitgeberseitig erklärte Kündigung aus betriebsbedingten Gründen ist bei Stilllegung eines gesamten Betriebs oder Betriebsteils wirksam, soweit eine Prognose im Kündigungszeitpunkt ergibt, dass die Entscheidung zur Betriebsstilllegung tatsächlich durchgeführt wird und deshalb für den gekündigten Arbeitnehmer mit Ablauf der Kündigungsfrist keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr bestehen wird. In diesem Fall ist die Kündigung grundsätzlich gemäß § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse veranlasst. Die unternehmerische Entscheidung zur Stilllegung des Betriebs einer GmbH hat keinen wirksamen Beschluss der Gesellschafter zur Voraussetzung. Unerheblich für die Ernsthaftigkeit der Stilllegungsabsicht ist, wenn sich der Arbeitgeber dazu entschlossen hat, die gekündigten Arbeitnehmer in der jeweiligen Kündigungsfrist noch für die Abarbeitung bereits vorhandener Aufträge einzusetzen .
Normenkette
KSchG § 7 Abs. 1, 3, § 18; BGB § 134
Verfahrensgang
ArbG Iserlohn (Aktenzeichen 1 Ca 1925/18) |
Tenor
Das Versäumnisurteil vom 27.02.2020 - 11 Sa 1472/19 - wird aufrechterhalten.
Der Kläger trägt auch die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer aus betrieblichen Gründen erklärten arbeitgeberseitigen Kündigung vom 25.09.2018 und über einen Anspruch der klagenden Partei auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilzulieferungsbranche und gehört der A an. In ihrem Produktionsbetrieb in B beschäftigte die Beklagte zuletzt etwa 570 Mitarbeiter. Es war ein lokaler Betriebsrat gewählt, dessen Vorsitzender Faruk C war. Zusammen mit ihrer Gesellschafterin, der D GmbH unterhielt die Beklagte zudem einen Gemeinschaftsbetrieb in E, in dem zuletzt 93 Mitarbeiter beschäftigt waren.
Der 1974 geborene Kläger war seit dem 12.12.2000 bei der Beklagten als Hallentransporteur beschäftigt. Für seine Tätigkeit erzielte er zuletzt eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von zuletzt 3.605,78 €.
Nachdem im Jahr 2017 verschiedene Restrukturierungsversuche der Beklagten betreffend die Standorte B und E gescheitert waren und im September 2017 außerdem ein Großbrand in dem Werk in B zwei bedeutende Produktionsanlagen zerstört hatte, traf die Konzernobergesellschaft, die F mit Sitz in G im April 2018 die Entscheidung, die Standorte in B und E nur noch bis zum 30.04.2019 fortzuführen und zu finanzieren. Mit Gesellschafterbeschlüssen vom 23./24.04.2018 wies sie unter anderem die Geschäftsführung der Beklagten an, die Betriebe in B und E zum 30.04.2019 einzustellen. Wegen der Einzelheiten der vorgenannten Gesellschafterbeschlüsse wird auf die Anlage A zu dem Schriftsatz der Beklagten vom 16.12.2018 verwiesen.
Am 24.04.2018 informierte die Beklagte den Betriebsrat und die Belegschaft über die Sachlage und nahm Verhandlungen über einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat auf. Mit an den Betriebsrat gerichtetem Schreiben vom 12.06.2018 leitete die Beklagte das Konsultationsverfahren ein. In diesem Schreiben unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat insbesondere über die Gründe für die geplanten Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer, die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollten, die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer sowie die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Schreibens der Beklagten vom 12.06.2018 wird auf die Anlage E zum Schriftsatz der Beklagten vom 16.12.2018 verwiesen. Am Folgetag, dem 13.06.2018, übersandte die Beklagte der Agentur für Arbeit eine Abschrift des Anschreibens an den Betriebsrat vom 12.06.2018. Wegen des E-Mail-Schreibens des Bevollmächtigten des Betriebsrats an die Agentur für Arbeit vom 25.06.2020 ("Vermittlungsersuchen nach § 111 Abs. 2 BetrVG") wird auf die zur Akte gereichte Kopie Bezug genommen (Bl. 779 GA). Am 5., 12., 25., 26., und 28.06.2018 berieten die Betriebsparteien im Rahmen innerbetrieblichen Verhandlungen zum Interessenausgleich über die Möglichkeiten, Entlassungen zu vermeiden, einzuschränken oder zu mildern sowie über die Einsetzung einer Transfergesellschaft. Wegen der Einzelheiten der einzelnen Gespräche wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 24.06.2019 nebst Anlagen verwiesen. Die Verhandlungen zum Interessenausgleich scheiterten. Im Rahmen einer vom Arbeitsgericht Iserlohn mit Beschluss vom 16.07.2018 (Az.: 2 BV 18/18) eingesetzten Einigungsstelle wurden die Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs betreffend die Stilllegung des Betriebs in B sodann am 13.09.2018 nach zwei Sitzungen mit einer Mehrheit v...