Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung wegen nicht rechtzeitiger Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
Leitsatz (amtlich)
Weder aus § 18 Abs. 3 BAT noch aus Treu und Glauben läßt sich die selbständige Pflicht eines Arbeitnehmers ableiten, bei unbefristet bescheinigter Arbeitsunfähigkeit allmonatlich eine neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder nach Auslaufen der Lohnfortzahlung die Auszahlungsbelege der Krankenkasse vorzulegen.
Normenkette
KSchG § 1; BAT § 18 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 25.10.1994; Aktenzeichen 16 Ca 10816/93) |
Tenor
Die Berufung der beklagten Stadt gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.10.1994 – 16 Ca 10816/93 – wird auf Kosten der beklagten Stadt zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die die Beklagte darauf stützt, daß die Klägerin ihre Anzeigepflicht bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit verletzt habe.
Die am 10.06.1960 geborene, ledige Klägerin steht seit dem 01.10.1985 als Erzieherin bei der Beklagten in einem Arbeitsverhältnis. Ihre Vergütung richtet sich nach Vergütungsgruppe VI b BAT. Ihr Arbeitsplatz – vor ihrer Krankheit – war der Bauspielplatz S. In der Zeit vom 01.03.1988 bis 15.03.1992 gewährte die Beklagte der Klägerin unbezahlten Sonderurlaub. Ab dem 06.07.1992 war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Sie erhielt bis zum 06.10.1992 von der Beklagten Gehaltsfortzahlung. Seit diesem Zeitpunkt bezog sie von der Krankenkasse Krankengeld.
Anlässlich des Abschlusses ihres Arbeitsvertrages unterzeichnete die Klägerin auf einem Blatt untergebrachte „Erklärung über Vorstrafen”, „Erklärung bezüglich verfassungsfeindlicher Betätigung” und „Erklärung über die Rücküberweisung von Dienstbezügen” (Einzelheiten Blatt 87 der Akte). Über ihrer Unterschrift steht der Satz: „Meine Unterschrift bezieht sich auf alle obigen Erklärungen, die nicht als ungültig gestrichen sind. Eine Durchschrift habe ich erhalten zusammen mit einem Merkblatt über das Verhalten bei Erkrankungen”. In diesem Merkblatt (Blatt 88 der Akten) heißt es unter 3:
„Ist in der eingereichten Dienst- beziehungsweise Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die voraussichtliche Dauer der Erkrankung angegeben und dauert die Erkrankung länger, so ist die Dienststelle unverzüglich über die Fortdauer der Erkrankung zu unterrichten (…) und unverzüglich ein Anschlußattest vorzulegen. Ist die Dauer der Erkrankung nicht angegeben, ist mindestens einmal monatlich eine neue Bescheinigung einzureichen.”
Die Beklagte akzeptiert dabei Auszahlungsscheine der Krankenkasse.
Mit Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung war die Klägerin zunächst bis zum 25.09.1992 krank geschrieben. Am 28.09.1992 meldete sie sich nicht. Nach einem Schreiben der Beklagten vom 02.10.1992 meldete die Klägerin sich telefonisch krank und reichte am 09.10.1992 rückwirkend für die Zeit ab 25.09.1992 ein ärtzliches Attest ein, nach welchem sie „bis auf weiteres” krank geschrieben war. Mit Datum vom 15.10.1992 legte die Klägerin einen Auszahlungsschein ihrer Krankenkasse vom 13.10.1992 vor, der bis zum 12.11.1992 reichte. Am 13.01.1993 ging der nächste Auszahlungsschein vom 12.01.1993 ein, der bis zum 11.02.1993 gültig war. Am 03.02.1993 reichte die Klägerin den Auszahlungsschein vom 02.02.1993 ein, der bis zum 01.03.1993 reichte. Am 08.03.1993 ging der Auszahlungsschein vom 03.03.1993 bei der Dienststelle der Klägerin ein.
Am 04.01.1993 hatte die Klägerin folgende Abmahnung mit dem 16.11.1992 datierte Abmahnung erhalten:
„Sehr geehrte Frau!
Seit dem 06.07.1992 sind sie arbeitsunfähig. Bis einschließlich 25.09.1992 haben Sie mir die ärztlichen Atteste pünktlich eingereicht.
Ab dem 28.09.1992 haben sie mich jedoch nicht mehr über ihre weitere Arbeitsunfähigkeit informiert. Daher habe ich Sie mit Schreiben vom 02.10.1992 aufgefordert, mir unverzüglich weitere ärztliche Atteste vorzulegen oder den Dienst sofort aufzunehmen.
Erst am 08.10.1992 haben Sie sich daraufhin telefonisch gemeldet. Eine rückwirkende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung haben Sie erst am 09.10.1992 vorgelegt.
Anschlußatteste sind unverzüglich nach Ablauf des vorangegangenen Attestes einzureichen. Ich verweise hierzu auf das beiliegende Merkblatt über das Verhalten bei Erkrankungen.
Dieses Verhalten kann ich nicht akzeptieren und mahne Sie daher ab.
Ich fordere Sie auf,
- mir künftig bereits am ersten Tag der Erkrankung ein ärztliches Attest vorzulegen und
- mich an dem der vorangegangenen Krankmeldung folgenden Tag bis spätestens 9.00 Uhr telefonisch zu informieren und ein Folgeattest einzureichen.
Sollten Sie nochmals Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzen, sehe ich mich gezwungen, Ihnen zu kündigen.”
Zu der fehlenden Auszahlungsbescheinigung für Dezember 1993 hat die Klägerin – von der Beklagten unwidersprochen – vorgetragen, sie habe bei der zuständigen Krankenkasse eine solche Bescheinigung angefordert. Diese habe jedoch fälschlicherweise auch die Diagnose enthalten … und habe deshalb auf ihre Aufforderung neu erstellt werden müsse...