Entscheidungsstichwort (Thema)
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bei betriebsbedingter Kündigung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Kündigung, die der Arbeitgeber wegen Wegfalls der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeiten ausspricht, ist nicht durch ein dringendes betriebliches Erfordernis „bedingt”, wenn der Arbeitnehmer anderweitig beschäftigt werden kann.
2. Bei der Prüfung einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit sind auch sog. Saisonarbeitsplätze einzubeziehen, die der Arbeitgeber im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Ausspruch der Kündigung an Saisonkräfte auf der Grundlage von befristeten Arbeitsverträgen vergibt, sofern deren Dauer nicht unerheblich über das Ende der vom Arbeitgeber einzuhaltenden Kündigungsfrist hinausgeht. Ggf. ist der Arbeitgeber in dem Fall nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gehalten, anstelle einer Beendigungskündigung eine auf nachträgliche Befristung des zunächst auf unbestimmte Zeit eingegangenen Arbeitsverhältnisses abzielende Änderungskündigung auszusprechen.
3. Die Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeit während der Kündigungsfrist auf Grund einer arbeitsvertraglich vereinbarten Freistellungsklausel entbindet den Arbeitgeber nicht von der ihm obliegenden Verpflichtung, bei einer betriebsbedingten Kündigung stets die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers – u. U. auch zu geänderten Arbeitsbedingungen – zu überprüfen.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Siegburg (Urteil vom 09.05.2007; Aktenzeichen 2 Ca 715/07) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 09.05.2007 – 2 Ca 715/07 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch um die Wirksamkeit einer ordentlichen, arbeitgeberseitigen Beendigungskündigung.
Die am 21.12.1962 geborene Klägerin war seit dem 12.09.1979 zunächst bei der Firma D & Co. GmbH in deren Betrieb in T als Produktionsmitarbeiterin beschäftigt. Dort erfolgten bis zum 30.06.2005 sowohl die Produktion als auch die Kommissionierung, der Versand, die Verpackung sowie die Retourenbearbeitung von Karnevalsartikeln. Danach wurden der Versand, die Kommissionierung und die Entwicklung der Karnevalsartikel von einer Betriebsstätte in B G aus abgewickelt, wo auch die Klägerin zeitweise eingesetzt wurde. Im Februar 2006 wurde die Firma D & Co. GmbH auf die Beklagte verschmolzen. Am 01.06.2006 schlossen die Parteien einen schriftlichen Arbeitsvertrag, dessen Nr. 1 wie folgt lautet:
„Die Arbeitnehmerin wird ab dem 1. Juli 2005 als Mitarbeiterin der Produktion Hüte in T oder B G beschäftigt. Die Betriebszugehörigkeit besteht ab dem 12.09.1979.
Die Arbeitgeberin behält sich vor, der Arbeitnehmerin nach den jeweiligen betrieblichen Erfordernissen und unter Berücksichtigung billigen Ermessens auch eine andere, ihrer Vorbildung und ihren Fähigkeiten entsprechenden Aufgabe zu übertragen und/oder sie an einen anderen Arbeitsplatz oder Tätigkeitsort zu versetzen.”
In der Betriebsstätte in B G beschäftigt die Beklagte mehrere Saisonarbeitnehmer auf der Grundlage von befristeten Arbeitsverhältnissen, die zuletzt mit Wirkung vom 01.03.2007 bis zum 29.02.2008 verlängert wurden. Daneben stellte sie einen Arbeitnehmer für das Hochregallager unbefristet ein.
Am 31.01.2007 trafen die Geschäftsführer der Beklagten die Entscheidung, die Produktion der Karnevalsartikel schrittweise nach T zu verlagern und die Produktion im Betrieb in T zum 30.06.2007 vollständig einzustellen. Aus diesem Grund kündigte sie die Arbeitsverhältnisse der dort beschäftigten 15 Produktionsmitarbeiter, so auch das der Klägerin, deren Bruttomonatsverdienst zuletzt 1.620,00 EUR betrug, mit Schreiben vom 12.02.2007 zum 31.08.2007.
Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer am 27.02.2007 vorab per Telefax beim Arbeitsgericht Siegburg eingegangenen Kündigungsschutzklage vom 23.02.2007 gewandt, die sie mit am 02.04.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 30.03.2007 um ihre Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen in B G über den 31.08.2007 hinaus erweitert hat.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Sie hat behauptet, die Produktion der Karnevalsartikel werde nicht vollständig nach T verlagert. Sie könne in B G weiterbeschäftigt werden. Selbst bei einer Verlagerung der gesamten Produktion der Karnevalsartikel nach T sei von der Beklagten, so ist die Klägerin der Meinung gewesen, keine ordnungsgemäße Sozialauswahl durchgeführt worden. Die Mitarbeiter des Standortes in B G hätten in die Sozialauswahl einbezogen werden müssen, da es sich insoweit um ihren originären Beschäftigungsbetrieb gehandelt habe. Mit den dort im Versand beschäftigten Arbeitnehmern sei sie auch vergleichbar. Die Klägerin hat behauptet, sie habe Karnevalshüte, Bärte und andere Accessoires dekoriert, kommissioniert und verpackt, ferner die nach der Karnevalssession erfolgten Rückläufe ausgepackt, auf Beschädig...