Entscheidungsstichwort (Thema)
Stilllegung eines Spielkasinos. Unbegründete Klage auf Nachteilsausgleich wegen Betriebsänderung ohne Verhandlungen über Interessenausgleich bei unzureichenden Darlegungen zum Beginn der Betriebsänderung vor Abschluss des Interessenausgleichs
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 113 Abs. 3 BetrVG ist die Arbeitgeberin zur Zahlung von Abfindungen in Form des Nachteilsausgleich verpflichtet, wenn sie eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, und infolge der Betriebsänderung Beschäftigte entlassen werden.
2. Die Arbeitgeberin beginnt mit der Durchführung einer Betriebsänderung, wenn sie unumkehrbare Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels ergreift und damit vollendete Tatsachen schafft, bevor der Versuch der Erzielung eines Einvernehmens mit dem Betriebsrat abgeschlossen ist.
3. Eine Betriebsänderung in Form der Stilllegung besteht in der Aufgabe des Betriebszwecks unter gleichzeitiger Auflösung der Betriebsorganisation für unbestimmte und nicht nur vorübergehende Zeit; ihre Durchführung beginnt, sobald die Arbeitgeberin als Unternehmerin unumkehrbare Maßnahmen zur Auflösung der betrieblichen Organisation ergreift.
4. Die Auflösung einer Betriebsorganisation liegt nur dann vor, wenn die Produktionsgemeinschaft angegriffen und aufgelöst wird, indem etwa Beschäftigte entlassen (oder versetzt) oder einzelne Produktionsmittel außer Dienst gestellt werden (Kündigung von Räumen oder Versorgungsverträgen).
5. Ein bloßer Beschluss auf unternehmerischer Ebene lässt die Betriebsorganisation unberührt.
6. Wird die Hauptaussage eines Anschreibens der Spielbankbetreiberin an das Innenministerium mit den Worten "ich teile Ihnen heute mit" eingeleitet und mit der unnötig verklausulierten Formulierung, von der Option auf Verlängerung der Konzession "keinen Gebrauch machen zu wollen" fortgesetzt, spricht schon der Wortlaut dieses Schreibens eher gegen als für den Willen, eine rechtsverbindliche Erklärung abgeben zu wollen; bei einer Willenserklärung sind die Worte "hiermit erkläre ich im Namen von ..." oder ähnliche Wendungen zu erwarten.
Normenkette
BetrVG § 113 Abs. 3, §§ 111-112, 112 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Rostock (Entscheidung vom 23.07.2014; Aktenzeichen 4 Ca 383/14) |
Tenor
1. Die Berufung wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der klagende Arbeitnehmer verlangt von seiner ehemaligen Arbeitgeberin die Zahlung von Nachteilsausgleich in Höhe von 12 Monatsgehältern gemäß § 113 Absatz 3 BetrVG. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, ob die Beklagte mit der Stilllegung ihres Betriebes bereits vor Ende Mai 2013 und damit vor Abschluss eines dahingehenden Interessenausgleichs mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat begonnen hatte.
Die Beklagte hat bis zur Stilllegung des Betriebes Anfang August 2013 mit staatlicher Konzession die Spielbanken in D-Stadt und C-Stadt (W.) betrieben. Die Erlaubnis zum Spielbetrieb stammt ursprünglich aus September 1995 und sie wurde zunächst für 10 Jahre ab Eröffnung des Spielbetriebes erteilt. Auf Antrag der Beklagten ist die Erlaubnis einmal verlängert worden und sie sollte dann regulär mit Ablauf des 5. August 2013 enden. Nach § 6 Spielbankgesetz Mecklenburg-Vorpommern (im Folgenden abgekürzt mit SpielbankG bezeichnet) hätte die Möglichkeit bestanden, die Erlaubnis auf Antrag der Beklagten nochmals um 5 Jahre zu verlängern.
Der Umsatz in den Spielbanken in Mecklenburg-Vorpommern hat sich nicht so entwickelt, wie man das in den 90er Jahren bei Verabschiedung des Spielbankgesetzes erhofft hatte. Es gab daher immer wieder Versuche seitens der Betreiber der Spielbanken, die Rahmenbedingungen für ihre Betriebe zu verbessern, eine Diskussion, die sich letztlich um die wirtschaftlich noch tragfähige Höhe der staatlichen Spielbankenabgabe (§ 7 SpielbankG) gedreht hatte. Bei der letzten Änderung des Spielbankengesetzes (Artikel 2 des Gesetzes vom 22. Juni 2012, GVOBl. M-V S. 232, 237) wurden jedoch trotz entsprechender Bemühungen seitens der Spielbanken die Spielbankenabgabe nicht verändert.
Gespräche zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Spielbetriebes wurden auch nach der Abänderung des Spielbankengesetzes im B. 2012 mit dem zuständigen Innen- und dem Finanzministerium weiter geführt. Zusätzlich gab es aber auch Versuche, auf politischer Ebene noch etwas zu bewegen. Gesprächs- und Verhandlungsfortschritte im Sinne der Spielbankenbetreiber konnten dabei jedenfalls bis Ende März 2013 nicht festgestellt werden. Vor diesem Hintergrund haben die Gesellschafter der Beklagten am 27. März 2013 eine Gesellschafterversammlung abgehalten und dort einstimmig einen Beschluss gefasst, der wie folgt protokolliert wurde (Kopie des Protokoll der Gesellschafterversammlung hier Blatt 25 f):
"Der Geschäftsführer stellt den Antrag unter den derzeitigen Rahmenbedingungen von dem Optionsrecht auf Verlängerung der Konzession um weitere fünf ...