Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung
Leitsatz (amtlich)
Die Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten hinsichtlich der Kündigungsfristen durch die Übergangsregelung des Art. 222 Nr. 2 a EGBGB in der Fassung des Kündigungsfristengesetzes vom 07.10.1993 ist nicht verfassungswidrig.
Normenkette
EGBGB Art. 222a; BGB § 622 Abs. 2 n.F.
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Urteil vom 09.04.1991; Aktenzeichen 8 Ca 7283/90 A) |
Tenor
I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 09.04.1991 – 8 Ca 7238/90 A – wird abgeändert.
II. Es wird festgestellt, daß das zwischen den Parteien bestandene Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 29.11.1990 mit Ablauf des 30.04.1991 aufgelöst worden ist.
III. Die Berufung des Klägers gegen das vorgenannte Urteil wird auch zurückgewiesen, soweit der Kläger Fortbestand des Arbeitsverhältnisses für die Zeit vom 01.05. bis 30.06.1991 begehrt.
IV. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 5/6, die Beklagte 1/6.
V. Die Revision wird zugelassen, soweit über die Frage des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses in der Zeit vom 01.05. bis 30.06.1991 entschieden wurde.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen Kündigung vom 29.11.1990 zum 31.03.1991.
Der am 01.08.1953 geborene Kläger war bei der Beklagten seit 03.05.1976 als Näher beschäftigt. Die Beklagte kündigte ihm wegen Verlagerung der Produktion ins Ausland. Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 09.04.1991 die Klage abgewiesen. Auf die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hin hat die Kammer mit Teilurteil vom 16.12.1991 die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil zurückgewiesen, soweit der Kläger Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 30.06.1991 hinaus begehrt hat. Die Kammer hat die Kündigung als sozial gerechtfertigt angesehen. Hinsichtlich der Frage, zu welchem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis beendet wurde hat sie das Verfahren mit Beschluß vom gleichen Tage bis zur gesetzlichen Neuregelung der Kündigungsfristen für Arbeiter, längstens bis 30.06.1993 ausgesetzt.
Nach der Neuregelung der gesetzlichen Kündigungsfristen stellt der Kläger den Antrag, festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ordentlich mit Ablauf des 30.06.1991 beendet worden ist.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Teilurteil vom 16.12.1991, sowie die Niederschrift vom 06.12.1993 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers, soweit sie noch zur Entscheidung ansteht, ist nur zum Teil, nämlich soweit es um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses für die Zeit vom 01.04. bis 30.04.1991 geht, begründet, während sie im übrigen unbegründet ist.
Durch das Kündigungsfristengesetz vom 07.10.1993 (BGBl 1993 I S. 1668 ff) sind die Kündigungsfristen von Arbeitern und Angestellten vereinheitlicht worden. Dieses Gesetz ist nach Artikel 7 am 08.10.1993 in Kraft getreten. Es gilt nach Artikel 222 Nr. 2 a EGBGB in der Fassung des Artikels 2 des genannten Gesetzes auch, soweit am 15.10.1993 ein Rechtsstreit anhängig ist, bei dem die Entscheidung über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von der Vorschrift des § 622 Abs. 2 Satz 1 und 2 1. Halbsatz des Bürgerlichen Gesetzbuches in der Fassung des Artikels 2 Nr. 4 des Ersten Arbeitsrechtsbereinigungsgesetzes vom 14. August 1969 abhängt. Damit gilt es auch für den hier zu entscheidenden Rechtsstreit.
Weil der Kläger am 01.08.1953 geboren ist und seit 03.05.1976 bei der Beklagten beschäftigt war, nach § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F. bei der Berechnung der für die Fristen erheblichen Beschäftigungsdauer Zeiten nicht zählen, die vor der Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitnehmers liegen, zählt für den Kläger nur die Beschäftigungszeit ab dem 01.08.1978. Nach dieser Zeit hat das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten bis zum Ausspruch der Kündigung 12 Jahre bestanden. Nach § 622 Abs. 2 Nr. 5 BGB n.F. beträgt daher die Kündigungsfrist 5 Monate zum Ende eines Kalendermonats. Nachdem die Kündigung am 29.11.1990 dem Kläger zuging, beendete sie das Arbeitsverhältnis somit mit Ablauf des 30.04.1991.
Die im Schrifttum von Wollgast (Arbeit und Recht 1993, 325) gegen die Wirksamkeit der Übergangsregelung erhobenen Bedenken greifen nicht durch. Wollgast meint die entsprechende Übergangsvorschrift sei verfassungswidrig, da sie Arbeiter und Angestellte für die Übergangszeit unterschiedlich behandle. Zwar sei eine völlige Gleichstellung für die Vergangenheit nicht geboten, es würden schon geringe Verbesserungen ausreichen. Ein typisierender Verstoß komme nur in Frage, wenn er nicht sehr intensiv sei und nur eine verhältnismäßig kleine Gruppe betreffe. Die Ungerechtigkeit dürfe auch nur unter Schwierigkeiten vermeidbar sein. Ansonsten müsse bei einer Übergangsregelung der Gleichheitssatz beachtet werden.
Dem ist mit Preiß (DB 1992, 2125) entgegenzuhalten, daß Stichtagsregelungen zwangsläufig zu temporärer Ungleichbehandlung führen. Dies...