Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame Beendigungskündigung eines Filialleiters bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zur Widerlegung einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit als Kassierer sowie der Arbeitsplatzbezogenheit beanstandeter Leistungsmängel
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine ordentliche Beendigungskündigung ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgeschlossen, wenn die Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer auf einem anderen freien Arbeitsplatz zu geänderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen; eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit hat die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer anzubieten.
2. Das Angebot einer Weiterbeschäftigung kann lediglich in besonderen Ausnahmefällen (wie etwa einer offensichtlich völlig unterwertigen Beschäftigung) unterbleiben.
3. Hat sich der als Filialleiter beschäftigte Arbeitnehmer unter Bezugnahme auf ein ihm unterbreitetes Vergleichsangebot ausdrücklich auf die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen als "Verkäufer/Kassierer" in einem der zahlreichen Lebensmittelmärkte der Arbeitgeberin berufen und darüber hinaus ausdrücklich klargestellt, dass er ein solcher im Wege einer Änderungskündigung unterbreitetes Angebot jedenfalls unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung annehmen würde, hat die Arbeitgeberin in ausreichender Weise darzulegen, dass eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs nicht bestanden hat; der bloße Hinweis darauf, dass kein "originärer" Bedarf an der Beschäftigung des Arbeitnehmers als Verkäufer/Kassierer besteht, erweist sich insoweit als pauschal und in tatsächlicher Hinsicht unzureichend, insbesondere wenn die Arbeitgeberin in Deutschland mehr als 1000 Filialen unterhält und von daher anzunehmen ist, dass sie regelmäßig solche Stellen neu zu besetzen hat.
4. Eine anderweitige Beschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz ist der Arbeitgeberin grundsätzlich nur dann zumutbar, wenn ein freier Arbeitsplatz verfügbar ist, auf dem der Arbeitnehmer die verlangte Tätigkeit anforderungsgerecht ausführen kann und objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Arbeitnehmer bei einem Einsatz auf diesem Arbeitsplatz das beanstandete Verhalten nicht fortsetzen wird, es sich also nicht um arbeitsplatzunabhängige Pflichtverstöße handelt.
5. Hat die Arbeitgeberin in sämtlichen dem Arbeitnehmer erteilten Abmahnungen Verstöße gegen die in der Stellenbeschreibung und Dienstanweisung geregelten Pflichten und Aufgaben eines Filialleiters gerügt und sind die damit verbunden Leistungsmängel möglicherweise darin begründet, dass der Arbeitnehmer mit den Aufgaben eines Filialleiters überfordert ist, bestehen keine ausreichenden objektiven Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitnehmer die beanstandeten Mängel auch in der Position als Verkäufer/Kassierer zeigen wird, so dass die pauschale Behauptung der Arbeitgeberin, dass sich die beanstandeten Leistungsmängel auch dort auswirken werden, nicht ausreichen, um deren Arbeitsplatzbezogenheit zu widerlegen.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 1-2, 2 S. 1 Alt. 2, § 2
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 18.07.2013; Aktenzeichen 8 Ca 676/13) |
Tenor
I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 18.7.2013 - 8 Ca 676/13 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen wie folgt teilweise abgeändert:
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 21.03.2013 zum 31.08.2013 aufgelöst worden ist.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Der Kläger hat 25% und die Beklagte 75% der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der Kläger war bei der Beklagten, die eine Vielzahl von Lebensmittelmärkten betreibt, seit dem 16.11.1998 als Filialleiter beschäftigt. Im Zeitraum vom 10.08.2012 bis 04.03.2013 erteilte die Beklagte dem Kläger insgesamt zehn schriftliche Abmahnungen, in denen sie dem Kläger jeweils eine nicht ordnungsgemäße Erledigung ihm als Filialleiter obliegender Aufgaben (Bearbeitung von Preisänderungen, Durchführung von Inventurmaßnahmen, Warenaufbau, Frischekontrolle und MHD-Kontrolle) vorwarf.
Mit Schreiben vom 21.03.2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.08.2013. Gegen diese Kündigung richtet sich die vom Kläger am 04.04.2013 beim Arbeitsgericht eingereichte Klage.
Der Kläger hat beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten, Zweigbetrieb E., vom 21.03.2013 nicht aufgelöst ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den 31.08.2013, hilfsweise den nächstmöglichen Termin, für die Dauer des Rechtsstreits als Filialleiter entsprechend des Arbeitsvertrags der Parteien vom 13.11.1998 weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat zur Begründung der Kündigung erstinstanzlich im Wesentlichen geltend g...