Entscheidungsstichwort (Thema)
Besserungsschein. Sanierungs-TV in der Insolvenz
Leitsatz (redaktionell)
Die Regelung einer (zeitweisen) Nichtauszahlung von Vergütungsteilen ist in einem Sanierungstarifvertrag nicht mit einem endgültigen Rechtsverzicht gleichzusetzen. Entscheidend ist vielmehr die Auslegung der Tarifnorm.
Normenkette
InsO §§ 179, 38
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 27.11.2008; Aktenzeichen 1 Ca 1315/08) |
Tenor
I. Unter Zurückweisung der Berufung im übrigen wird auf die Berufung des Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 27.11.2008 – 1 Ca 1315/08 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Unter Klageabweisung im übrigen werden die Forderungen der Klägerin in Höhe von 21.696,81 EUR brutto zur Insolvenztabelle festgestellt.
II. Die Kosten des Rechtsstreites (auch die des Berufungsverfahrens) hat der Beklagte zu tragen.
III. Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahrens auf 5.475,31 EUR festgesetzt.
IV. Die Revision wird (für beide Parteien) zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung von Forderungen zur Insolvenz-Tabelle in einer Gesamthöhe von 21.901,23 EUR brutto.
Zwischen der (späteren) Insolvenzschuldnerin (der A. L.) und der IG-Metall wurden jeweils mit Datum vom 20.7.2004 (s. Bl. 18 und 25 d.A.) abgeschlossen:
Nach näherer Maßgabe des AnerkennungsTV (s. dazu insbesondere dort § 2 nebst Anlage) wird die Geltung von Tarifverträgen der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie für die Beschäftigten der (späteren) Insolvenzschuldnerin geregelt.
Im SanierungsTV heißt es u.a.:
„1. Zur Sanierung der Firma A. L. ist es notwendig – neben dem abgeschlossenen Interessenausgleich und Sozialplan, der Neuregelung der flexiblen Arbeitszeit, der Einführung eines KVP-Projektes – die Neuregelung der betrieblichen Abläufe über einen Steuerungskreis und eine Umstellung des Entlohnungssystems zu vereinbaren.
(…)
6. Die zur Zeit für fast jeden Beschäftigten gezahlte Aufwandsentschädigung, Gutstunden und sonstige übertarifliche Zulagen werden in eine tarifvertragliche Ausgleichzahlung, die monatlich gezahlt wird, umgewandelt.
Den Beschäftigten im Anlagenbau, für die der Bundesmontage-Tarifvertrag gilt, wird erst ab der Überschreitung der tarifvertraglichen Ausgleichzahlung die Auslösung gezahlt.
Die tarifvertragliche Ausgleichszahlung wird um 10 % des jeweiligen Brutto-Lohnes (Stand Mai 2004) reduziert.
Für die Beschäftigten, die bereits Westlohn erhalten und aus dem Osten (über gesamt 300 km) anreisen, wird eine zuzüglich, individuelle Monatspauschale vereinbart, die die Lohnminderung auf 10 % begrenzt. Diese Monatspauschale ist bei Tariferhöhungen bis auf 1 % der Tariferhöhung anrechenbar.
Die Entlohnung bleibt neutral, das heißt, die Tariferhöhungen (1,5 % und 2,0 % und die Einführung des ERA) werden bei der tarifvertraglichen Ausgleichszahlung angerechnet.
Sollten künftig weitere Reduzierungen dieser tariflichen Ausgleichszahlungen notwendig werden, so sind diese zwischen den Tarifvertragsparteien zu vereinbaren.
Die jeweilige Entgelt-Summe wird statistisch erfasst.
(…)
9. Das zusätzliche Urlaubsgeld gemäß § 16 des Gemeinsamen Manteltarifvertrages wird im Jahr 2004 um 50 % reduziert.
Die Auszahlung der verbleibenden 50 % erfolgt mit der August-Abrechnung 2004 auf der Berechnungsbasis bis Mai 2004.
Die bereits gezahlten Urlaubsvergütungen werden bei der Auszahlung verrechnet.
Die jeweilige Entgelt-Summe wird statistisch erfasst.
10. Die betriebliche Sonderzahlung gemäß § 2 des Tarifvertrages über eine betriebliche Sonderzahlung wird im Jahr 2004 um 50 % reduziert.
Die Auszahlung der verbleibenden 50 % erfolgt mit der November-Abrechnung 2004.
Die jeweilige, einbehaltene Entgelt-Summe wird statistisch erfasst.
(…)
12. Die bestehenden Arbeitszeit-Konten werden bei allen Beschäftigten um 50 Stunden reduziert und ebenfalls statistisch erfasst.
(…)
16. Sollte ein Insolvenz-Antrag gestellt werden, wird dieser Sanierungs-Tarifvertrag sofort gegenstandslos und die Beschäftigten werden – wie vor dem Abschluss des Anerkennungs-Tarifvertrages (keine Schlechterstellung) vom 26.05.2005 – behandelt.
Besserungsschein
„Die statistisch erfassten Daten lt. Ziffern 6., 9., 10. und 12. werden über einen Besserungsschein den Beschäftigten jährlich gutgeschrieben.
Zum Jahresende wird von den Tarifvertragsparteien und dem Betriebsrat jeweils geprüft, ob die Geschäftslage des Unternehmens es ermöglicht, dass der individuelle Sanierungs-Beitrag aus diesem Vertrag den beteiligten Arbeitnehmern zurückgezahlt werden kann … „.
In der Folgezeit schlossen die (spätere) Insolvenzschuldnerin und die IG-Metall zum SanierungsTV drei weitere Vereinbarungen, – nämlich
- die „Ergänzungs-Vereinbarung” vom 18.11./23.11.2004 ...