Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Ausschlussfrist für die Rückforderung überzahlter Arbeitsvergütung. Unbegründete Bereicherungsklage des Arbeitgebers bei verspäteter Geltendmachung trotz rechtzeitiger behördeninterner Kenntniserlangung
Leitsatz (amtlich)
Die Ausschlussfrist aus § 37 Abs. 1 TV-L läuft im Fall einer Überzahlung von Arbeitsvergütung auch dann mit Fälligkeit des jeweiligen Vergütungsanspruchs an, wenn zwar innerhalb der für die Vergütungsabrechnung zuständigen Behörde (OFD...-Bezügestelle) nicht für die Abrechnung der laufenden Bezüge zuständige Verwaltungseinheit über eine Veränderung der familiären Verhältnisse des Beschäftigten aber die ebenfalls der Bezüge zugeordnete Familienkasse in Kenntnis gesetzt wird und diese einen Hinweis an den Beschäftigten unterlässt, sie sei aufgrund des Steuergeheimnisses nicht befugt, die ihr gegenüber angezeigte Veränderung der familiären Verhältnisse weiterzuleiten.
Normenkette
TV-L § 37 Abs. 1; BGB § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1; BAT-O § 29 Abschn. B Abs. 2 Nr. 4
Verfahrensgang
ArbG Halle (Saale) (Entscheidung vom 27.02.2013; Aktenzeichen 8 Ca 2925/11) |
Tenor
Die Berufung des klagenden Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 27.02.2013 - 8 Ca 2925/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rückzahlung überzahlter Vergütung.
Die Beklagte ist mit einer anerkannten Betriebszugehörigkeit seit August 1983 bei dem klagenden Land als Lehrerin beschäftigt. Auf die Rechtsbeziehungen der Parteien fand zunächst der BAT-O Anwendung. Seit dem 01.11.2006 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis der Parteien nach dem TV-L sowie dem TVÜ-L.
Das klagende Land gewährte der geschiedenen Klägerin auch im Zeitraum 01.08.2006 bis 28.02.2009 als Teil der monatlichen Vergütung einen Ortszuschlag Stufe 2 in Form des "Verheirateten-Bestandsteils" (OZ-Verh-Bestandteil). Diese Leistung erfolgte zunächst gemäß § 29 Abschnitt B Abs. 2 Nr. 4 BAT-O aufgrund der Erklärung der Beklagten vom 27.09.2005 (Bl. 9 f d. A.), wonach diese ihren Sohn B nicht nur vorübergehend in ihren Haushalt aufgenommen hat und ihm Unterhalt gewährt, und floss seit November 2006 in das gemäß § 5 TVÜ-L der Beklagten gewährte Vergleichsentgelt ein.
Zum 01.08.2006 hatte der Sohn der Beklagten eine Ausbildung bei der Bundeswehr (Zeitsoldat) aufgenommen. Hierdurch sind - unstreitig - die Voraussetzungen für die Gewährung des OZ-Verh-Bestandteils in Wegfall geraten. Hierüber hat die Beklagte die für die Entgeltabrechnung zuständige OFD M, Bezügestelle D, Außenstelle M erstmals am 12.03.2009 informiert. Allerdings erfolgte bereits mit Schreiben vom 30.07.2006 seitens der Beklagten eine Information der OFD M, Bezügestelle D, Familienkasse über diese Änderung ihrer familiären Verhältnisse. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Schreibens, dem eine telefonische Anfrage der Beklagten vorangegangen war, wird auf Blatt 31 der Akte verwiesen.
Das klagende Land machte mit Schreiben vom 15.04.2009 (Bl. 7 d. A.) einen Rückforderungsanspruch in Höhe von 2.400,41 Euro brutto geltend, wegen dessen Berechnung auf die Anlage 1 zur Klageschrift (Bl. 5 d. A.) verwiesen wird, und verfolgt diesen Anspruch nach Erstattung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von noch 1.909,91 Euro mit der vorliegenden Klage weiter.
Das klagende Land hat die Auffassung vertreten, ihm stehe nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung (§§ 812 ff BGB) ein Rückzahlungsanspruch zu. Dieser Anspruch sei nicht (überwiegend) gemäß § 37 TV-L wegen Ablaufs von Ausschlussfristen verfallen. Die in der tariflichen Norm geregelte sechsmonatige Ausschlussfrist sei erst mit der von der Beklagten gegenüber der OFD M, Bezügestelle D, Außenstelle M getätigten Information am 12.03.2009 in Lauf gesetzt worden. Zwar habe die Beklagte unstreitig bereits am 30.07.2006 die Familienkasse über die Aufnahme einer Ausbildung ihres Sohnes informiert. Dieses Schreiben habe jedoch die Ausschlussfrist nicht in Lauf setzen können, weil die für die Zahlung des Kindergeldes zuständige Familienkasse aufgrund des zur Anwendung kommenden Steuergeheimnisses keine detaillierten Informationen an die für den Bereich der Entgeltabrechnung zuständige Abteilung der OFD M, Bezügestelle D, weitergeben dürfe.
Das klagende Land hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an das klagende Land 1.909,91 Euro netto nebst 5 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die geltend gemachten Ansprüche seien jedenfalls überwiegend aufgrund Eingreifens der Verfallfristen des § 37 TV-L wieder erloschen. Bereits aufgrund ihrer Information vom 30.07.2006 sei dem klagenden Land die Aufnahme einer Ausbildung ihres Sohnes bekannt gewesen. Wie sich aus dem Schreiben der OFD M, Bezügestelle D, Außenstelle M vom 15.09.2005 (Bl. 49 d. A.) betreffend die Gewährung des Ortszuschlages "Kind" ergebe, erfolge s...