Roland Bornhofen, Prof. Dr. Udo Bühler
52.1
A. Einleitung
Rz. 1760
Soweit Inhalte nicht zwingend einem nationalen Sachrecht unterliegen (wie z.B. Gesellschaftsrecht, Sachenrecht, Insolvenzrecht etc.), ist die Wahl des Vertragsstatuts insbesondere in grenzüberschreitenden Verträgen eine Möglichkeit, der teils langwierigen und folglich häufig kostspieligen Suche nach dem anwendbaren Sachrecht aus dem Weg zu gehen. Ein weiterer Grund aus deutscher Sicht könnte sein, der strengen Inhaltskontrolle des deutschen AGB-Rechts zu entgehen. Bei der Rechtswahl müssen folgende Bereiche unterschieden werden: Sachrecht, Kollisionsrecht, internationales Einheitsrecht wie etwa das UN-Kaufrecht. Die Rechtswahl kann sich auf das nationale Sachrecht beschränken unter Ausschluss der weiteren Bereiche oder diese jeweils mitumfassen. Die Rechtswahlklausel ist losgelöst von den übrigen vertraglichen Regelungen zu betrachten. In Abgrenzung zum Hauptvertrag wird die Rechtswahl als Verweisungsvertrag bezeichnet. Die Prüfung einer Rechtswahlklausel in AGB erfolgt ebenfalls in zwei Schritten, die Frage nach der wirksamen Einbeziehung und der Wirksamkeit des betreffenden Inhalts. Vorgelagert stellt sich die Frage des anwendbaren Rechts; eine kollisionsrechtliche Frage, welche den Fragen des Hauptvertrages vorgelagert sein muss. Maßgebend ist hierbei zunächst das Internationale Privatrecht (IPR) in Deutschland und den betreffenden EU Mitgliedstaaten, die ROM I-Verordnung (ROM I). Sie ersetzt seit 18.12.2009 die Art. 27 ff. EGBGB a.F. sowie das EVÜ. Hintergrund der Verordnung war u.a., die Umsetzung des Kollisionsrechts in den einzelnen Mitgliedstaaten zu vereinheitlichen. ROM I ist als Verordnung in den EU Mitgliedstaaten außer Dänemark unmittelbar geltendes Recht. Für Verträge, die bis 17.12.2009 geschlossen wurden, gelten weiterhin die mit ROM I weggefallenen Art. 27 ff. EGBGB a.F. Es sind folglich je nach Datum des Vertragsschlusses zwei unterschiedliche kollisionsrechtliche Regelungen zu betrachten. ROM I berührt nicht die Anwendung von Art. 46b EGBGB, Art. 23 ROM I. Art. 46b EGBGB ist sowohl für Alt- als auch Neuverträge mit Abschluss ab 18.12.2009 anzuwenden.
B. Kollisionsrechtliche Regelung je nach Datum des Vertragsabschlusses
I. Verträge mit Vertragsabschluss bis 17.12.2009
Rz. 1761
Es gelten die damaligen Art. 27 ff. EGBGB a.F. Diese sehen das Prinzip freier Rechtswahl vor. Das bedeutet jedoch nicht, dass die grundsätzlich freie Wahl uneingeschränkt im Wege von AGB erfolgen kann. Für die Frage, ob die AGB insgesamt wirksam in den Vertrag miteinbezogen wurden, bleibt es bei der Beurteilung nach den §§ 305 ff. BGB, insb. auch bei der Wertung gemäß § 305c BGB. Die Beurteilung des Zustandekommens und der Wirksamkeit der Rechtswahlklausel selbst erfolgt nach dem in der Klausel bestimmten Recht, Art. 27 Abs. 4, 31 Abs. 1 EGBGB a.F. Eine Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB erfolgt nur, soweit auf deutsches Recht verwiesen wird. Anderenfalls erfolgt die Prüfung nach dem jeweiligen ausländischen Recht. Die Rechtswahl der Parteien führt dazu, dass dem Kläger der durch zwingende Bestimmungen des deutschen Rechts gewährte Schutz entzogen wird.
Rz. 1762
Besonderheiten gelten für Verbraucherverträge, Art. 29 Abs. 1 EGBGB a.F. Die Rechtswahl darf nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der rechtliche Schutz entzogen wird, der ihm durch zwingende gesetzliche Regelungen des Staates, in welchem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zustehen würde. Die Prüfung beinhaltet folglich einen Günstigkeitsvergleich. Soweit sich eine Benachteiligung ergeben würde, finden unter den in Art. 29 EGBGB a.F. genannten Voraussetzungen die gesetzlichen Regelungen des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Verbrauchers Anwendung. Zu diesen gesetzlichen Regelungen gehören alle durch Parteivereinbarung nicht abdingbaren Vorschriften, die geeignet und dazu bestimmt sind, einem Verbraucher Schutz gegenüber dem anderen Vertragspartner zu gewähren. Ist der gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland, so finden – soweit der Günstigkeitsvergleich eine Benachteiligung des Verbrauchers ergibt – die §§ 305 ff. BGB zur Inhaltskontrolle Anwendung, auch bei wirksamer Vereinbarung ausländischen Rechts.
Art. 46b EGBGB steht dem nicht entgegen. Bei der Überprüfung einzelner Klauseln, welche für sich genommen keinen Verbrauchervertrag darstellen, wie beispielsweise auch eine Rechtswahlklausel, erfolgt dennoch eine Überprüfung analog Art. 29 Abs. 1 EGBGB a.F., wenn ansonsten mit dem Verbraucherschutz nicht zu vereinbarende Regelungen zur Anwendung kommen würden.
Rz. 1763
Für reine Inlandsverträge gilt Art. 27 Abs. 3 EGBGB a.F. Es ist das inländische zwingende Recht anwendbar, wenn die Vertragspartn...