Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. neue Behandlungsmethode. kein Anspruch auf ambulante Elektrostimulationstherapie bei Glaukom und epiretinaler Gliose
Leitsatz (amtlich)
Es besteht kein Anspruch auf eine im Jahr 2016 ambulant durchgeführte Elektrostimulationsbehandlung bei einem Glaukom und einer epiretinalen Gliose beider Augen.
Orientierungssatz
Eine hochgradige Sehstörung reicht nicht aus, um eine wertungsgemäß mit tödlichen Erkrankungen vergleichbare Gesundheitsstörung annehmen zu können (vgl BSG vom 20.4.2010 - B 1/3 KR 22/08 R = BSGE 106, 81 = SozR 4-1500 § 109 Nr 3, RdNr 31).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 21. März 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erstattung der Kosten für eine im Juni 2016 ambulant durchgeführte Elektrostimulationsbehandlung.
Der 1941 geborene Kläger ist Mitglied der beklagten Krankenkasse. Er leidet an einem Glaukom (Erstdiagnose 2008) und einer epiretinalen Gliose beider Augen. Im streitgegenständlichen Zeitraum hatte der Kläger einen Visus mit Brille von 0,3 rechts und von 0,15 links sowie fortgeschrittene Gesichtsfeldeinschränkungen (s. Behandlungsbericht der S. GmbH vom 20. Juni 2016).
Die Elektrostimulationstherapie (auch Wechselstromtherapie) ist ein nicht-invasives Verfahren zur elektrischen Stimulation des Gehirns und der Augen. In zehn ambulanten Sitzungen werden mittels an der Stirn angebrachter Elektroden elektrische Impulse an das Gehirn und die Augen gesendet. Ziel der Behandlung ist die Verbesserung des Restsehleistungsvermögens (“Residualsehen„) über eine Synchronisation der Hirnaktivität.
Seit 2008 erfolgte die Behandlung des Glaukoms des Klägers mit augeninndrucksenkenden Augentropfen. Im Verlauf wurden wegen Unverträglichkeiten verschiedene Augentropfen verwendet und größtenteils wieder abgesetzt. Zuletzt wurden zumindest seit Juni 2015 (Arztbriefe der Augenklinik des D.-Krankenhauses K.-R. vom 12. Juni 2015, 13. November 2015 und 14. Januar 2016 sowie Arztbrief der Augenklinik des Universitätsklinikums H. vom 17. Oktober 2016) die Augentropfen Clonidophtal sine 1/8 eingesetzt. Am 6. September 2011 wurde am rechten Auge eine Kanaloplastik zur Augendrucksenkung durchgeführt und zugleich ein damals bestehender Katarakt durch Implantation einer Hinterkammerlinse behandelt. Am 4. Oktober 2011 wurde am linken Auge eine Kanaloplastik durchgeführt. Im Januar 2016 erfolgte eine Zyklophotokoagulation (Laserbehandlung des Strahlenkörpers) beider Augen zur Augendrucksenkung. Der Zieldruck von 15 mmHg wurde laut Arztbrief nicht erreicht.
Am 10. März 2016 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Elektrostimulationstherapie der Sehnerven. Zur Begründung seines Antrags gab er an, die herkömmlichen Behandlungsmethoden des Glaukoms seien bei ihm nicht wirksam. Seinem Antrag fügte er den Arztbrief der Augenklinik des D.-Krankenhauses K.-R. vom 14. Januar 2016 sowie ein Attest seines behandelnden Augenarztes Dr. W. bei, wonach trotz mehrerer durchgeführter therapeutischer Verfahren keine ausreichende Drucksenkung des Augeninnendrucks habe erzielt werden können.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) und informierte hierüber den Kläger mit Schreiben vom 11. März 2016. Im MDK-Gutachten vom 14. März 2016 gelangte Dr. U. zu dem Ergebnis, dass es sich bei der beantragten Elektrostimulationstherapie um eine neue Behandlungsweise handele. Über deren Nutzen müsse der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) entscheiden. Zur Behandlung des Glaukoms des Klägers stünden schulmedizinische Therapien zur Verfügung. Von einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder einer gleichwertigen Erkrankung könne nicht ausgegangen werden.
Mit Bescheid vom 16. März 2016 lehnte die Beklagte unter Verweis auf das MDK-Gutachten ab.
Zur Begründung des hiergegen eingelegten Widerspruchs trug der Kläger vor, die Beklagte habe bislang nicht berücksichtigt, dass er an einer besonderen Form des Glaukoms, dem Niederdruck-Glaukom leide. Er legte weitere Arztbriefe sowie Unterlagen, die die Elektrostimulationstherapie erläutern, vor. Die Beklagte legte diese Unterlagen dem MDK zur erneuten Begutachten vor. Im Gutachten vom 14. April 2016 gelangte Dr. We.-K. zu dem Ergebnis, dass eine notstandsähnliche Situation beim Kläger nicht vorliege. Es stünden schulmedizinische Therapien zur Verfügung. Bei nicht ausreichender Drucksenkung könne laut Entlassungsbericht vom 14. Januar 2016 die Operation wiederholt werden. Zudem seien Wirksamkeit und Nutzen der begehrten Behandlung nicht nachgewiesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2016 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück.
Bereits vom 6. bis 17. Juni 2016 ließ der Kläger die begehrte Behandlung ambulant im Behandlungscenter der S. GmbH im M. durchführen. Di...