Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. neue Untersuchungsmethode. kein Anspruch auf Kostenübernahme für jährliche Sehnervanalyse mit Heidelberg Retina Tomograph (HRT). kein Systemversagen. keine grundrechtsorientierte Leistungsauslegung
Leitsatz (amtlich)
Versicherte der GKV, die an einem Glaukom leiden, haben keinen Anspruch auf Kostenübernahme für eine Analyse des Sehnervs mit dem Heidelberg Retina Tomograph (HRT).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 25.10.2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Kostenübernahme für eine jährliche Sehnervanalyse mit dem H. R. Tomograph (HRT) streitig.
Bei dem HRT handelt es sich um ein konfokales Punkt-Scanning-Laser Ophthalmoskop, das von Augenärzten zur Untersuchung der Hornhaut und bestimmter Bereiche der Netzhaut eingesetzt wird. Der wichtigste Anwendungsbereich des HRT ist die Überprüfung des Sehnervkopfes (Papille) zum Zwecke der Früherkennung und Verlaufskontrolle des Glaukoms (Grüner Star). Durch Einsatz entsprechender Module ist auch die Untersuchung der vorderen Augenabschnitte sowie der Netzhaut (vor allem der Makula) möglich.
Der am … 1943 geborene Kläger leidet bereits seit Jahren an einem Glaukom. Er befindet sich in regelmäßiger augenärztlicher Behandlung.
Am 20.10.2016 wandte sich der Kläger per E-Mail an die Beklagte und bat um Prüfung der Möglichkeit der Kostenübernahme für eine Untersuchung des Augenhintergrundes mit dem HRT. Er machte geltend, sein Augenarzt habe diese Untersuchung wiederholt empfohlen. Vom Ärztezentrum der Beklagten habe er die Antwort erhalten, dass dieses Verfahren als sinnvoll und zweckmäßig erachtet werde. Den entsprechenden Hinweis des Ärztezentrums vom 13.10.2016 fügte der Kläger seiner Anfrage bei. Diesem gegenüber hatte der Kläger geschildert, sein Augeninnendruck sei mit Hilfe von Medikamenten gut eingestellt (15-18 mm Hg) und frühere Gesichtsfeldkontrollen seien unauffällig gewesen. Er bat um Prüfung und im Fall der Ablehnung um Übersendung einer entsprechenden Entscheidung.
Mit Bescheid vom 25.10.2016 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme für eine HRT Aufnahme ab. Diese Leistung sei zwar ärztlich vertretbar, falle jedoch in den eigenverantwortlichen Bereich der Patienten.
Hiergegen erhob der Kläger am 01.11.2016 Widerspruch. Zur Begründung verwies er auf die Regelung des § 27 Abs 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Sowohl der behandelnden Augenärztin als auch des konsultierten Ärzteteams der Beklagten zufolge sei die jährliche Sehnervanalyse (hier HRT) sinnvoll und zweckmäßig, um die Effizienz der medikamentösen Drucksenkung zu überprüfen und ggf bei eingetretener Verschlechterung der gemessenen Werte den zukünftigen Zieldruck herabzusetzen, also die Medikation zu verstärken. In Ermangelung alternativer Behandlungen gehe er davon aus, dass es sich bei der hier infrage stehenden Untersuchung zweifelsfrei um eine von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gemäß § 27 Abs 1 SGB V zu erbringende Leistung handele.
Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) mit der Erstellung eines sozialmedizinischen Gutachtens. Dr. A. führte unter dem 13.12.2016 unter Benennung von alternativen Behandlungsmöglichkeiten aus, dass sich keine Angaben zur Sehschärfe in den Unterlagen fänden. Der Versicherte habe angegeben, dass die Kontrollen des Gesichtsfeldes unauffällig seien. Mit Blick auf die bisherige Sozialrechtsprechung könne bei dem Versicherten zum jetzigen Zeitpunkt nicht von einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung oder einer gleichwertigen Erkrankung (Erblindung beider Augen) ausgegangen werden. Prinzipiell handele es sich bei der HRT-Untersuchung um eine neue Untersuchungsmethode zur Diagnostik und Verlaufskontrolle bei Glaukomerkrankungen. Das HRT habe nicht genügend diagnostische Präzision, um isoliert verwendet werden zu können. Fälle von Glaukomverdacht, -beginn oder -progression könnten nicht mit dem HRT allein diagnostiziert und beurteilt werden. Qualitativ seien die Informationen mit dem HRT auch durch vertragsärztliche Leistungen zu erreichen. Nicht auszuschließen sei, dass durch HRT eine präzisere Befunddokumentation möglich sei, wobei die klinische Relevanz im Hinblick auf die weitere Behandlung und den Verlauf der Erkrankung in ihrem Nutzen noch nicht durch randomisierte kontrollierte Studien gesichert sei.
Nach Mitteilung des Ergebnisses führte der Kläger aus, die vom MDK ausgeführten Behandlungsmöglichkeiten seien möglicherweise geeignet, ein Glaukom bzw dessen Status zum Zeitpunkt der Untersuchung festzustellen. Keiner der aufgelisteten Alternativen erlaubten mit hinreichender Genauigkeit eine mit Vorbefunden vergleichende Verlaufskontrolle, wie sie sich mit dem HRT inzwischen als Standard durchgesetzt habe.
Am 12.06.2017 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) ...