Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. MdE-Höhe. Quarzstaublungenerkrankung gem BKV Anl 1 Nr 4101. Bochumer Empfehlung. maßgebliches Kriterium: Einschränkung der Lungenfunktion
Leitsatz (amtlich)
Bei der BK 4101 ist die Bochumer Empfehlung maßgebend. Danach ist nicht der radiologische nachweisbare Befund, sondern die mit den Veränderungen verbundenen Einschränkungen entscheidend.
Normenkette
SGB VII § 56 Abs. 1 Sätze 1-3, Abs. 2 S. 1; BKV Anl. 1 Nr. 4101
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. März 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wegen einer von der Beklagten anerkannten Berufskrankheit (BK) nach Nr. 4101 (Quarzstaublungenerkrankung [Silikose] - im folgenden BK 4101) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) streitig.
Der 1962 geborene Kläger ist seit 1978 mit Unterbrechungen (Bundeswehr vom 1. Januar bis 31. August 1983; Gleisbau 1985 bis 1987) als Steinmetz tätig (Bl. 8 V-Akte).
Am 18. November 2005 wurde der Kläger wegen einer beidseitigen Pneumonie mit Pleuraerguss links in der Klinik L. aufgenommen und stationär bis zum 23. November 2005 behandelt. Dabei wurde die Verdachtsdiagnose einer Silikose gestellt und der Beklagten am 28. November 2005 angezeigt (Bl. 2 V-Akte).
Die Beklagte holte zunächst eine Auskunft bei dem aktuellen Arbeitgeber des Klägers, der Steinsanierung und Denkmalpflege C., wo der Kläger seit 25. November 1985 als Werkstattleiter tätig ist, ein. Diese teilte mit Schreiben vom 15. Dezember 2005 mit, der Kläger sei mit Steinmetz- und Steinbildhauerarbeiten beschäftigt gewesen, habe alle G-20-Untersuchungen regelmäßig eingehalten, zuletzt am 6. Februar 2004, und sei Raucher (Bl. 13 f. V-Akte).
Der Präventionsdienst der Beklagten (PD) ermittelte auf der Basis der von den Firmen Sch. und H. sowie Steinsanierung und Denkmalpflege C. mitgeteilten Arbeiten mit quarzhaltigen Materialien wie den klägerischen Angaben, dass der Kläger nach seiner Lehre von 1981 bis 1985 bei der Firma Sch. und H. zu 90 % seiner Arbeitszeit quarzhaltige Materialien und seit 1987 bei der Firma Steinsanierung und Denkmalpflege C. zu 100 % seiner Arbeitszeit quarzhaltige Materialien verarbeitet habe und dabei der Arbeitsplatzgrenzwert (zur Zeit 0,15 mg/m3) überschritten worden sei. Der Kläger sei von 1981 bis 2005 Raucher gewesen und habe 20 Zigaretten pro Tag konsumiert (Bl. 18 ff. V-Akte).
Ferner zog die Beklagte das Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers bei der AOK (Bl. 26 ff. V-Akte) sowie den Entlassungsbericht der Klinik L. vom 25. November 2005 (kleinfleckige Infiltrationen des subpleuralen Lungenparenchyms) bei.
Schließlich veranlasste die Beklagte eine lungenärztliche Begutachtung des Klägers nach ambulanter Untersuchung. Dr. B. beschrieb eine leichtgradige zentral- und leicht bis mittelgradige peripher-bronchiale Obstruktion sowie eine bronchiale Hyperreagibilität von annähernd asthmatypischem Grade. Er diagnostizierte eine Silikose I (bis II), COPD (Schweregrad II nach GOLD), bronchiale Hyperreagibilität/Asthmaneigung, langjährigen Nikotinkonsum, Zustand nach Pneumonie beidseits 11/2005 mit Pleuraerguss, diffuse Hepatopathie (z. B. äthyltoxisch) sowie Hyperurikämie. Die medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung der BK 4101 seien gegeben, wobei es sich um eine gering gestreute Silikose handele. Auch der geschilderte Nikotinkonsum von 20 bis 30 Zigaretten seit dem 16. Lebensjahr könne zu der obstruktiven Atemwegserkrankung mit Emphysembildung führen. Im speziellen Fall sei die BK auf die leichtere Gasaustauschstörung unter Belastung/Tendenz zur Belastungshypoxämie zurückzuführen. Die anderen Erkrankungen seien nicht beruflich verursacht. Die MdE werde auf 10 vom Hundert (v. H.) seit eindeutiger Diagnosestellung 11/2005 eingeschätzt. Dabei sei berücksichtigt, dass die obstruktive Atemwegserkrankung bislang unbehandelt und einer medikamentösen Behandlung/therapeutischen Maßnahmen zugänglich sei (Bl. 63 ff. V-Akte).
Die Beklagte holte hierzu eine beratungsärztliche Stellungnahme bei Dres. R. und St., Klinik für Berufskrankheiten Bad R., ein. Diese führten aus, die geringgradige Silikose erfülle die Voraussetzung der BK 4101, wobei der beobachtete Abfall des Sauerstoffpartialdruckes unter körperlicher Belastung Folge der emphysematösen Lungenveränderung sei. Die Silikose sei auch nicht ursächlich für die bronchiale Hyperreagibilität, zumal die Quarzstaub-Exposition über Tage stattgefunden habe. Eine BK-bedingte Lungenfunktionsbeeinträchtigung liege nicht vor und eine MdE aufgrund der BK 4101 bestehe derzeit nicht (Bl. 92 ff. V-Akte).
Gestützt hierauf anerkannte die Beklagte mit Bescheid vom 24. August 2006 eine Silikose als Folge der BK 4101 an und lehnte einen Anspruch auf Verletztenrente ab, da die geringgradige Silikose keine Einschränkung der Lungenfunktion bedinge. Nicht als Folge...