Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen Berufsunfähigkeit. Überprüfungsverfahren. kein rechtzeitiger Rentenantrag feststellbar
Leitsatz (amtlich)
Die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit ist im Überprüfungsverfahren trotz nachträglichen Nachweises einer bereits vor dem 31.12.2000 eingetretenen Berufsunfähigkeit nicht möglich, wenn kein nach altem Recht rechtzeitiger Rentenantrag im Sinne von § 99 SGB VI feststellbar ist.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17.07.2017 abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind weder für das Klage- noch für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger macht im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 anzuwendenden Fassung (a.F.) anstelle der ihm bewilligten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI in der ab dem 01.01.2001 anzuwendenden Fassung (n.F.) geltend.
Der 1955 geborene Kläger, der den Beruf des Metzgers erlernt hat, war seit 12.10.2000 durchgehend krankgeschrieben und stellte am 21.03.2001 einen Reha-Antrag. Im Reha-Entlassungsbericht über die daraufhin durchgeführte stationäre Maßnahme in der psychosomatischen Klinik S. W. vom Juli 2001 wurden beim Kläger eine mittelgradige depressive Episode sowie zervikale Bandscheibenverlagerungen diagnostiziert und ein unter 2-stündiges Leistungsvermögen für den zuletzt ausgeübten Beruf des Metzgers angenommen. Die Beklagte deutete daraufhin den Reha-Antrag in einen Rentenantrag um und bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 19.11.2001 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 01.03.2001 in Höhe von monatlich 204,96 €. Die Anspruchsvoraussetzungen seien ab dem 12.10.2000 erfüllt. Ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung würde nicht bestehen.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, er sei erwerbsunfähig im Sinne von § 44 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 anzuwendenden Fassung (a.F.). Im Übrigen sei ihm eine Berufsunfähigkeitsrente nach § 43 SGB VI a.F. zu gewähren. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.06.2002 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte unter anderem aus, dass gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI die Anwendung von § 44 SGB VI a.F. voraussetze, dass sich unter Berücksichtigung des alten Rechts auch noch ein Anspruch vor Inkrafttreten des neuen Rechts ergeben würde, was beim Kläger nicht der Fall sei, da der zum Rentenantrag umgedeutete Reha-Antrag erst am 21.03.2001 gestellt worden sei. Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Freiburg unter dem Aktenzeichen S 6 RJ 1822/02 beantragte der Kläger (nur noch), die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung seit dem 01.03.2001 zu gewähren. In der nichtöffentlichen Sitzung des SG Freiburg vom 07.10.2003 schlossen die Beteiligten zur Erledigung des Rechtsstreits einen Vergleich, wonach dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01.10.2001 bis 31.12.2004 gewährt wurde und der Kläger sich verpflichtete, „aus der Klage keine weiteren Ansprüche geltend“ zu machen.
Der Kläger bezog in der Folgezeit durchgehend Rente wegen voller Erwerbsminderung, zuletzt unbefristet. Mit Schreiben vom 12.11.2015 (eingegangen bei der Beklagten am 13.11.2015) stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag bezüglich des Bescheides vom 19.11.2001. Aus diesem würde sich ergeben, dass die Anspruchsvoraussetzungen für den Rentenbezug bereits zum 12.10.2000 erfüllt gewesen seien. Er bitte daher um Überprüfung, warum Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach neuem Recht gezahlt werde und ob die Rente nicht nach altem Rentenrecht gewährt werden könne. Selbst wenn man der Auffassung sei, dass erst der umgedeutete Reha-Antrag vom 21.03.2001 entscheidend sei, müsse aufgrund der Übergangsvorschrift des § 300 Abs. 2 SGB VI davon ausgegangen werden, dass Ansprüche nach altem Rentenrecht noch bis zum Ablauf von 3 Kalendermonaten nach der Einführung des neuen Rentenrechts geltend gemacht werden konnten. Mit Bescheid vom 15.02.2016 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, bei der teilweisen Erwerbsminderungsrente habe man das Recht in der Fassung vom 01.07.1998 bis 31.12.2001 angewendet. Bei der teilweisen Erwerbsminderungsrente ab 01.03.2001 habe sich das Recht bereits vor dem Rentenbeginn, nämlich zum 20.12.2000 geändert, weshalb das SGB VI in der Fassung bis 31.12.2001 anzuwenden sei.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, die Beklagte habe ausgeführt, dass auf den zu Grunde liegenden Sachverhalt die frühere Gesetzesfassung des SGB VI in der Fassung vom 01.07.1998 Anwendung finden müsse. Genau das fordere der Kläger auch. In diesem Falle wäre der Bescheid vom 19.11.2001 wie vom Kläger gefordert aufzuheben, da in diesem gerade die Anwendung des früheren Recht abgelehnt worden...