Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschlechtsinkongruenz. Leistungsanspruch. Gesichtsbehaarung. Nadelepilation. Kosmetikerin. Elektrologistin. vertragsärztliches Systemversagen. privatärztlich. unwirtschaftlich. Arztvorbehalt. Qualitätsgebot. Drittschadensliquidation. Fahrtkosten. Merkzeichen. Schadensersatzanspruch. Sicherstellungsauftrag. Gewaltenteilung
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Mai 2023 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Erstattung und Übernahme der Kosten zur Durchführung einer Nadelepilation zur Entfernung von Barthaaren im Gesicht bei nichtärztlichen Leistungserbringerinnen hat.
Die im Jahr 1990 mit männlichen Geschlechtsorganen geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Es liegt (gemäß ICD-11) eine behandlungsbedürftige Mann-zu-Frau-Geschlechtsinkongruenz vor (gemäß ICD-10 Transsexualität). Für die Klägerin sind ein Grad der Behinderung von 80, Merkzeichen B, G, H und RF sowie ein Pflegegrad 4 anerkannt.
Am 24. Mai 2020 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme unter Übersendung eines Kostenvoranschlags des Fachzentrums für ästhetische Hautbehandlungen DGmbH über 50 Einzelbehandlungen zur dauerhaften Haarentfernung im Gesicht durch Nadelepilation zu einem Einzelpreis in Höhe von 156,00 Euro und einem Gesamtpreis in Höhe von 7.800 Euro. Der Kostenvoranschlag enthielt den Hinweis, dass die Behandlung „bei Bedarf“ durch Ärzte überwacht werde, die für die DGmbH tätig seien. Mit Bescheid vom 2. Juni 2020 lehnte die Beklagte eine Kostenbeteiligung ab, weil die Behandlung bei D GmbH nicht ärztlich angeordnet und verantwortet sei, die Verantwortung liege vielmehr bei den die Behandlung ausführenden Kosmetikerinnen. Die Klägerin erhob Widerspruch und verwies auf die in Aussicht gestellte ärztliche Betreuung bei Bedarf.
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten im Rahmen der geschlechtsangleichenden Maßnahmen neben einer geschlechtsangleichenden feminisierenden Operation mit Antrag vom 25. September 2020 erneut die Kostenübernahme für eine Nadelepilation zur Entfernung ihrer Bartbehaarung im Gesicht unter Übersendung eines Kostenvoranschlags der Facharztpraxis für Dermatologie Dr. IJ, Berlin, über 50 Behandlungseinheiten (Kostenvoranschlag über 50 Behandlungseinheiten à 155,11 € = 7.755,50 €). Nach Einholung einer medizinischen Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK - vom 23. Oktober 2020), wonach die medizinischen Voraussetzungen für die Durchführung der beantragten Maßnahme der Epilationsbehandlung vollständig erfüllt sind, übernahm die Beklagte mit Schreiben vom 5. November 2020 gegenüber der Klägerin eine Kostenbeteiligung für maximal 50 Behandlungseinheiten bei der Fachärztin Dr. J zu einem Vertragssatz von 75,12 € pro Behandlungseinheit, insgesamt 3.756 €. Für insgesamt 32 Epilations-behandlungen, beginnend am 9. November 2020 bis zum 25. Februar 2021, stellte die Arztpraxis Dr. J der Klägerin jeweils 75,12 Euro in Rechnung, die Beklagte erstattete der Arztpraxis jeweils den Betrag. Weitere Termine stornierte die Praxis Dr. J am 28. Februar 2021 aus betrieblichen Gründen.
Die Klägerin informierte die Beklagte darüber, dass die Ärztin Dr. J die Epilation zwar jeweils für 4 Tage pro Woche abgerechnet habe, tatsächlich aber nur jeweils ein Termin pro Woche mit 2 Stunden Behandlung stattgefunden habe, die abgerechneten 32 Stunden seien daher doppelt so viele Stunden wie sie tatsächlich erbracht habe, die Klägerin habe lediglich 16 Behandlungsstunden erhalten. Sie verfolge mithilfe eines Rechtsanwaltes gegenüber der Ärztin Dr. J auf dem Zivilrechtsweg einen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Beträge und bitte die Beklagte um Unterstützung bei der Frage, wo die noch ausstehenden Epilationsbehandlungen durchgeführt werden können, konkret um die Benennung anderer (behandlungsbereiter) Fachärzte bzw. -ärztinnen auch außerhalb von Berlin. Die Beklagte benannte ärztliche Leistungserbringerinnen und Leistungserbringer in Köln und Mannheim sowie drei Ärzte/Ärztinnen in Sachsen, nämlich Burgstädt, Chemnitz und Glauchau.
Am 23. März 2021 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Nadelepilation zur Entfernung von Gesichts- und Barthaaren unter erneuter Übersendung eines Kostenvoranschlags von DGmbH vom 23. März 2021 über 50 Einzelbehandlungen zum Einzelpreis in Höhe von 131,09 Euro. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 29. März 2021 eine Kostenbeteiligung unter Berufung auf die fehlende Eigenschaft von D GmbH als Vertragsarztpraxis sowie die fehlende ärztliche Beaufsichtigung und Verantwortung der Behandlung ab. Die Klägerin erhob am 6. April 2021 Widerspruch und verwies darauf, die beantragte Behandlung sei für sie die einzige Möglichkeit, die bereits begonnene Behandlung fa...