Entscheidungsstichwort (Thema)
Überprüfungsverfahren zum Vormerkungsbescheid. Erlass eines vorbehaltlosen Rentenbescheides. Ersatzzeit. Sowjetzonenflüchtling. DDR. besondere Zwangslage. Flucht über Ungarn
Leitsatz (amtlich)
1. Mit Erlass eines - vorbehaltlosen - Rentenbescheides hat sich der die Aufhebung eines bestandskräftigen Vormerkungsbescheides ablehnende Überprüfungsbescheid nach § 44 Abs 2 SGB X auf sonstige Weise gemäß § 39 Abs 2 SGB X erledigt, sodass das Klagebegehren auf Feststellung weiterer rentenrechtlicher Zeiten nur noch gegen den Rentenbescheid weitergeführt werden kann.
2. Das übliche Ermittlungsverfahren bei einem Antrag auf ständige Ausreise aus der DDR einschließlich der Observierung und Vernehmung durch Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes begründet noch keine besondere Zwangslage im Sinne des § 3 BVFG.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts
Berlin vom 30. Juni 2017 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren
nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung der Eigenschaft der Klägerin als Flüchtling nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz - BVFG) und die entsprechende Berücksichtigung von Ersatzzeiten bei der Berechnung einer Erwerbsminderungsrente.
Die Klägerin ist 1968 in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) geboren. 1984 wurde sie mit der Lessing-Medaille ausgezeichnet. Im Juli 1986 schloss sie die Ausbildung zum Wirtschaftskaufmann mit der Spezialisierung Außenhandel mit der Note “gut“ ab (vgl. Zeugnis vom 15. Juli 1986). Ausbildungsbetrieb war die F Handelsgesellschaft mbH. In der Folge war die Klägerin bis Juli 1987 bei diesem Unternehmen als Ex- und Importbearbeiterin tätig. Von Februar 1987 bis Juli 1989 besuchte sie die Abendschule und erwarb die Hochschulreife. Vom 10. Juli bis zum 10. Oktober 1989 arbeitete sie als Sekretärin im Verlag N Z. Bis 1987 war die Klägerin Mitglied der Gesellschaft für Sport und Technik (GST), der Freien Deutschen Jugend (FDJ) und der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische-Freundschaft (DSF). Ihren Wohnsitz in der DDR hatte die Klägerin zuletzt vom 13. September 1988 bis zum 18. September 1989 in der Astr. 9 in B-F und vom 19. September 1989 bis zum 11. Oktober 1989 in der W-P-Str. 99 (umbenannt 1994 in Tstr. 99) in B-M (vgl. Melderegisterauskunft vom 14. November 2011).
Die Klägerin stellte am 23. September 1988 gemeinsam mit ihrem damaligen Ehemann (laut Eheurkunde vom 29. August 1989: Heirat am 13. Juli 1987, Rechtskraft der Scheidung seit dem 25. Juli 1989) einen Antrag auf ständige Ausreise aus der DDR, welcher am 14. November 1988 abgelehnt wurde (Erstgespräch am 27. September 1988, Ablehnungsgespräch am 14. November 1988) Sie reiste nach ihren Angaben im September 1988 mit einer Gruppe von Freunden mit dem Zug nach Prag, um mit Unterstützung der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland (BRD) die Ausreise zu erzwingen. Dort legte man ihr nach ihren Angaben nahe, in die DDR zurückzukehren und erneut die Ausreise in die Bundesrepublik zu beantragen. Wohl im März 1989 stellte die Klägerin einen weiteren Ausreiseantrag bei den Behörden der DDR, den sie am 30. Mai 1989 zurücknahm. In diesem Zusammenhang wurde die Klägerin nach ihren Angaben im Mai 1989 zweifach - vermutlich durch Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) - verhört.
Am 11. Oktober 1989 verließ die Klägerin gemeinsam mit dem Zeugen S G die ehemalige DDR. Mit einer Jugendtouristikgruppe flogen sie nach Ungarn, lösten sich dort von der Gruppe und reisten über die Grenze nach Österreich und von dort in die Bundesrepublik (P) aus, wo sie im Erstaufnahmelager in W aufgenommen wurden. Dort gab sie am 14. Oktober 1989 im Aufnahmeformular als Gründe für das Verlassen der DDR an: „extreme Einschränkung meiner persönlichen Interessen - bzw. Entfaltungsmöglichkeiten durch staatliche Bevormundung, politische Situation in der DDR, - humanitäre Gründe.” Des Weiteren gab sie an, die DDR mit Genehmigung für eine Reise nach Ungarn verlassen zu haben und legte ihren am 09. November 1983 ausgestellten Personalausweis der DDR vor. Sodann verzog die Klägerin in das Aufnahmeland B .
Eine berufliche Tätigkeit übte die Klägerin seither nicht mehr aus. Ein Studium der Japanologie/ Betriebswirtschaftslehre vom 01. April 1990 bis zum 31. März 1995 schloss sie nach ihren Angaben aus gesundheitlichen Gründen nicht ab.
Im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens machte die Klägerin im Juni 2011 gegenüber der Beklagten geltend, dass sie aufgrund der Flucht aus der ehemaligen DDR im Sinne des BVFG als Flüchtling anzuerkennen sei, und begehrte die Berücksichtigung entsprechender Ersatzzeiten sowie Anschlusszeiten unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit (14. Oktober bis 26. November 1989) bzw. Arbeitslosigkeit (27. November 1989 bis 31. März 1990) in ihrem Versicherungsverlauf. Die Beklagte wandte sich sodann schriftlich zur Pr...