Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Pflegeversicherung: Ermittlung des Grundpflegebedarfs. Berücksichtigung von Wartezeiten bei Arztbesuchen
Orientierungssatz
1. Bei der Ermittlung des Grundpflegebedarfs sind im Bereich der Mobilität auch Wartezeiten bei Arztbesuchen berücksichtigungsfähig (Fortführung LSG Berlin-Potsdam Urt. v. 19.11.2009, Az: L 27 P 75/08 ).
2. Einzelfall zur Ermittlung des Umfangs eines Grundpflegebedarfs.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 31. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe II.
Der 1942 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten und bewohnt zusammen mit seiner Ehefrau, die seine Pflege übernommen hat, eine 3-Zimmer-Wohnung im Hochparterre eines Mehrfamilienhauses.
Am 4. August 2008 beantragte der Kläger unter Hinweis auf einen erlittenen Schlaganfall die Gewährung von Pflegegeld. Die Beklagte holte das MDK-Gutachten der Pflegefachkraft W M vom 9. Oktober 2008 ein, die eine erhebliche Pflegebedürftigkeit (Pflegestufe I) feststellte: Der Hilfebedarf betrage wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Grundpflege 54 Minuten (41 Minuten im Bereich der Körperpflege, 6 Minuten im Bereich der Ernährung, 7 Minuten im Bereich der Mobilität) und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung 45 Minuten. Dementsprechend gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 13. Oktober 2008 ab dem 1. August 2008 Leistungen der Pflegestufe I. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers vom 23. Oktober 2008, mit dem er darauf verwies, dass er “rund um die Uhr„ von seiner Ehefrau betreut werden müsse, und dem er weitere medizinische Befundunterlagen beifügte, wies die Beklagte nach Beiziehung einer ergänzenden Stellungnahme der Pflegefachkraft M vom 4. Dezember 2008 sowie einer sozialmedizinischen Stellungnahme des D. Sch des MDK vom 9. Dezember 2008 mit Widerspruchsbescheid vom 20. Februar 2009 zurück.
Mit seiner hiergegen vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren auf Gewährung von Pflegeleistungen der Pflegestufe II ab Antragstellung weiter. Das Sozialgericht hat den Arzt Dr. Sch mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Dieser gelangt in seinem Gutachten vom 3. Dezember 2009 zu der Einschätzung, dass der Hilfebedarf wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Grundpflege infolge einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes ab August 2009 65 Minuten (39 Minuten im Bereich der Körperpflege, 9 Minuten im Bereich der Ernährung, 17 Minuten im Bereich der Mobilität) und im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung 60 Minuten betrage. Es läge damit zwar eine erhebliche Pflegebedürftigkeit (Pflegestufe I), nicht jedoch eine Schwerpflegebedürftigkeit (Pflegestufe II) vor.
Mit Gerichtsbescheid vom 31. Mai 2010 hat das Sozialgericht Berlin nach Anhörung der Beteiligten die Klage abgewiesen. Der für die Gewährung der Pflegestufe II erforderliche Pflegeaufwand im Bereich der Grundpflege von mindestens 120 Minuten wöchentlich im Tagesdurchschnitt werde nach den überzeugenden Feststellungen und Ausführungen des Sachverständigen Dr. Sch nicht erreicht. Soweit der Kläger ausführe, er müsse “rund um die Uhr„ betreut werden, führe dies zu keinem anderen Pflegebedarf, da allgemeine Beaufsichtigungstätigkeiten nicht berücksichtigungsfähig seien. Auch der Einwand des Klägers, er könne nicht laufen, führe zu keinem anderen Ergebnis. Nicht pflegerelevant sei, dass der Kläger beim Schreiben der Hilfe seiner Ehefrau bedürfe.
Gegen den ihm am 15. Juni 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 7. Juli 2010 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.
Zur Begründung trägt er vor, dass sein Pflegebedarf für erforderliche Fahrten zum Arzt und zur Krankengymnastik sowie zum Transfer zu nächtlichen Toilettengängen nicht berücksichtigt worden sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 31. Mai 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Februar 2009 zu verurteilen, ihm für die Zeit ab dem 1. August 2008 Pflegegeld nach der Pflegestufe II zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung zu dem von ihm vorgetragenen weiteren Pflegebedarf informatorisch befragt. Auf das hierüber gefertigte Sitzungsprotokoll wird verwiesen.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegen-stand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist zulä...