Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Pflegegeld als Einkommen auf Leistungen der Grundsicherung
Orientierungssatz
1. Bei der Bewilligung und Berechnung von Leistungen der Grundsicherung ist das von dem Leistungsberechtigten erzielte Einkommen nach § 11 SGB 2 anzurechnen.
2. Nach § 1 Abs 1 Nr 4 der Alg2-VO sind nicht steuerpflichtige Einnahmen einer Pflegeperson für Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung als Einkommen nicht zu berücksichtigen. Diese Einnahmen sind nach §§ 3 Nr. 36, 33 Abs. 2 S 1 EStG steuerfrei, wenn die Leistungen entweder von Angehörigen des Pflegebedürftigen oder von anderen Personen erbracht werden, welche damit eine sittliche Pflicht gegenüber dem Pflegebedürftigen erfüllen.
3. Für die Annahme einer sittlichen Pflicht i. S. des EStG reicht es nicht aus, dass die Pflege aufgrund einer langjährigen vertrauensvollen Beziehung auf Bitten der zu pflegenden Person übernommen wurde.
4. Ein objektivierbarer Anhaltspunkt für eine sittliche Verpflichtung ist aus einer späteren Eheschließung nicht abzuleiten. Auch ein gutes Bekanntschaftsverhältnis über mehrere Jahre begründet keine Einstandspflicht für die pflegende Person. Eine solche muss einer Rechtspflicht gleichkommen oder dieser zumindest ähnlich sein.
5. Anderenfalls stellt die der Pflegeperson gezahlte Vergütung kein Pflegegeld, sondern Arbeitsentgelt oder freiwillige Anerkennungszahlung dar, auch wenn diese aus dem vom Pflegebedürftigen gezahlten Pflegegeld finanziert wird.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Anrechnung von Pflegegeld von Herrn M. für den Zeitraum vom 1. Mai 2013 bis zum 31. Oktober 2013 bei der Berechnung von Leistungen nach dem Zweites Buch Sozialgesetzbuch - SGB II -.
Die Klägerin stand bis zum 31. Juli 2014 im laufenden Leistungsbezug nach dem SGB II. Der Leistungsbezug endete mit der Eheschließung der Klägerin mit Herrn M. am …2014. Mit Bescheid vom 26. März 2009 wurden der Klägerin für die Zeit vom 1. Mai 2009 bis zum 31. Oktober 2009 Leistungen in Höhe von 514,46 Euro monatlich bewilligt. Ursprünglich wohnte die Klägerin mit ihrer am … 1929 geborenen Mutter, C.Z., von der die Klägerin ebenfalls Leistungen der Pflegekasse (Pflegegeld) erhielt, und ihrem Sohn S.L. zusammen. Der Sohn zog zum 1. September 2010 aus. Die Mutter der Klägerin ist am …2010 verstorben.
Im Rahmen der Einleitung eines Mietkostensenkungsverfahrens teilte der Sohn der Klägerin dem Beklagten am 16. Februar 2011 mit, dass die Klägerin die Wohnung nicht mehr alleine bewohne, sondern sie sich die Wohnung mit ihrem Lebensgefährten teile. Die Klägerin nahm selbst dazu am 2. März 2011 Stellung und führte aus, sie pflege ihren 75-jährigen und an Demenz erkrankten Lebensgefährten in der Wohnung. Diese sei behindertengerecht. Es wurde eine Meldebescheinigung vom 22. Juni 2010 vorgelegt über den am 1. September 2009 erfolgten Einzug des am …1936 geboren M ...
Am 6. April 2011 ließ die Klägerin mitteilen, Herr M. sei am 1. Juni 2010 eingezogen, nachdem er seine Wohnung in der M1 aufgegeben habe. Die geänderte Anmeldebescheinigung vom 31. März 2011 bezüglich des erfolgten Einzugs zum 1. Juni 2010 wurde beigefügt. Dazu führte die Klägerin aus, es habe nicht geklärt werden können, warum beim Einwohneramt zunächst ein anderes Datum eingetragen worden sei. Es liege keine Lebensgemeinschaft mit Herrn M. vor. Man sei lediglich bekannt. Die Mitteilung, es handele sich um den Lebensgefährten der Klägerin sei aufgrund von Verständigungsschwierigkeiten zustande gekommen.
Am 21. April 2011 wurde dem Beklagten mitgeteilt, Herr M. sei ausgezogen und wohne jetzt zusammen mit dem Sohn der Klägerin in einer Wohnung im gleichen Haus, ebenfalls B.-Straße. Herr M. werde weiter von der Klägerin gepflegt. Sie erhalte ein Pflegegeld in Höhe von monatlich 430,- Euro.
Die Klägerin wurde aufgefordert, eine geänderte Meldebestätigung vorzulegen. Eine solche wurde vom 10. Mai 2011 vorgelegt, die den Eintrag enthielt, der Einzug des Herrn M. bei S.L. sei zum 1. Juni 2010 erfolgt.
Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 12. April 2011 für den Bewilligungszeitraum ab dem 1. Mai 2011 erhielt die Klägerin den Bewilligungsbescheid vom 6. Mai 2011 unter Berücksichtigung des Pflegegeldes als Einkommen. Gleichzeitig ergingen mehrere Änderungsbescheide, die die Zeiträume ab dem 1. September 2009 betrafen. Der Beklagte passte die Leistungsbewilligung der Meldebestätigung vom 22. Juni 2010 an und berücksichtigte die Haushaltsgemeinschaft mit Herrn M. rückwirkend zum 1. September 2009.
Auch für die Zeit ab dem 1. Mai 2013 stellte die Klägerin einen Weiterbewilligungsantrag. Mit Bescheid vom 18. April 2013 bewilligte der Beklagte Leistungen unter Anrechnung des Pflegegeldes für die Zeit vom 1. Mai 2013 bis zum 31. Oktober 2013.
Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und führte aus, es sei das Pflegegeld nicht anzurechnen, unabhängig davon, ...