Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Befreiung. Versicherungspflicht. Errichtung eines berufsständisches Versorgungswerks. freiberuflich tätiger Rechtsanwalt. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Ein freiberuflich tätiger Rechtsanwalt gehört nicht zu den versicherungspflichtigen selbständig tätigen Personengruppen nach § 2 SGB 6, so dass sich bezüglich dieser Tätigkeit die Frage der Befreiung gemäß § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6 von der Versicherungspflicht gar nicht stellt.
2. Erst mit der Errichtung eines Versorgungswerks für Rechtsanwälte durch das zuständige Bundesland ist die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht bezüglich der Tätigkeit als angestellter Jurist eröffnet.
3. Diese gesetzliche Regelung verstößt nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG oder die Berufswahl- bzw Berufsausübungsfreiheit des Art 12 GG.
Tatbestand
Im Streit ist die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung noch für den Zeitraum vom 13. März bis zum 30. September 2001.
Die 1967 geborene Klägerin ist von Beruf Rechtsanwältin. Daneben ist sie seit dem 1. August 2000 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis als Juristin bei der E M C E H GmbH in H tätig. Nach Verlegung ihrer Rechtsanwaltskanzlei nach S-H ist sie Pflichtmitglied in der S-H Rechtsanwaltskammer und seit dem 13. März 2001 ebenfalls Pflichtmitglied in dem S-H Versorgungswerk für Rechtsanwälte.
Ihren mit Schreiben vom 23. November 1999 gestellten Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24. April 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2001 mit der Begründung ab, dass die seit dem 1. August 2000 von der Klägerin in H ausgeübte Tätigkeit nicht zur Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk führe. Dies ergebe sich allein schon daraus, dass in H ein solches Versorgungswerk für Rechtsanwälte nicht bestehe.
Nachdem im Laufe des Klagverfahrens auch in H ein Versorgungswerk für Rechtsanwälte mit Wirkung zum 1. Juli 2001 errichtet worden ist mit einer Beitragspflicht beginnend mit dem dritten Kalendermonat nach dem Inkrafttreten der Satzung, befreite die Beklagte die Klägerin mit Bescheid vom 11. Oktober 2001 mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2001 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Das Sozialgericht hat die Klage nach Beiladung des S-H Versorgungswerks für Rechtsanwälte mit Gerichtsbescheid vom 29. Mai 2002 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei der Tätigkeit der Klägerin in H um eine üblicherweise versicherungspflichtige abhängige Beschäftigung handele, die von der anwaltlichen Tätigkeit in S-H unabhängig und zu unterscheiden sei. Diese abhängige Beschäftigung führe entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu einer gesetzlich angeordneten Pflichtmitgliedschaft im S-H Versorgungswerk für Rechtsanwälte. Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht im streitigen Zeitraum lägen somit nicht vor.
Gegen den ihr am 8. Juni 2002 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 8. Juli 2002 Berufung eingelegt. Sie hält Auffassung des Sozialgerichts für unzutreffend, wonach es sich bei der Tätigkeit in H um eine von der Rechtsanwaltskanzlei unabhängige Beschäftigung handele. Sie sei Syndikus-Anwältin. Dabei handele es sich nicht um eine Nebentätigkeit zum Kanzleibetrieb, sondern um anwaltliche Tätigkeit im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 29. Mai 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. April 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin auch für den Zeitraum vom 13. März 2001 bis 30. September 2001 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 29. Mai 2002 zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Die satzungsmäßige Beitragspflicht des neu errichteten Versorgungswerks für Rechtsanwälte in H sei erst mit dem 1. Oktober 2001 entstanden. Daher sei eine Befreiung für die Beschäftigung der Klägerin in H erst ab diesem Zeitpunkt möglich. Eine Befreiung zu einem früheren Zeitpunkt scheitere an den zwingenden gesetzlichen Voraussetzungen des § 6 des 6. Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB 6).
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Er beabsichtige nicht, eine Stellungnahme abzugeben. Für den Fall, dass der Befreiungsantrag endgültig rechtskräftig abgelehnt werde, werde er die Klägerin auf Antrag von der Beitragszahlungspflicht zum Versorgungswerk rückwirkend in Höhe derjenigen Beiträge befreien, die für sie als Mitglied an die Beklagte zu zahlen gewesen seien. Dadurch werde eine Doppelbelastung der Kläg...