Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Befreiung von der Versicherungspflicht. berufsständische Versorgung. tätigkeitsbezogene Auslegung. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Die Befreiungsregelung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB 6 kann auch bei gesetzessystematischer und sinngemäßer Auslegung nur tätigkeits- und nicht personenbezogen verstanden werden (vgl BSG vom 22.10.1998 - B 5/4 RA 80/97 = BSGE 83, 74 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12).
2. Es ist nicht erkennbar, dass diese gesetzliche Regelung gegen Verfassungsrecht, insbesondere den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG oder die Berufswahl-/Berufsausübungsfreiheit des Art 12 GG verstößt.
Tatbestand
Im Streit ist die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung noch für den Zeitraum vom 23. Dezember 1999 bis zum 30. September 2001.
Der 1958 geborene Kläger ist von Beruf Rechtsanwalt. Daneben ist er seit dem 1. Oktober 1990 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis als Syndikus-Anwalt bei der H Versicherung AG tätig. Nach Verlegung seiner Rechtsanwaltskanzlei nach Schleswig-Holstein ist er Pflichtmitglied in der Schleswig-Holsteinischen Rechtsanwaltskammer und seit dem 23. Dezember 1999 ebenfalls Pflichtmitglied in dem Schleswig-Holsteinischen Versorgungswerk für Rechtsanwälte.
Seinen mit Schreiben vom 23. November 1999 gestellten Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. April 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2000 mit der Begründung ab, dass die seit dem 1. Oktober 1990 in H ausgeübte Tätigkeit nicht zur Pflichtmitgliedschaft in einem Versorgungswerk führe. Dies ergebe sich allein schon daraus, dass in Hamburg ein solches Versorgungswerk für Rechtsanwälte nicht bestehe.
Nachdem im Laufe des Klageverfahrens auch in Hamburg ein Versorgungswerk für Rechtsanwälte mit Wirkung zum 1. Juli 2001 errichtet worden ist mit einer Beitragspflicht beginnend mit dem dritten Kalendermonat nach dem Inkrafttreten der Satzung, befreite die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 16. Oktober 2001 mit Wirkung ab 1. Oktober 2001 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Das Sozialgericht hat die Klage nach Beiladung des Schleswig-Holsteinischen Versorgungswerks für Rechtsanwälte durch Urteil vom 8. August 2002 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei der Tätigkeit des Klägers in H um eine üblicherweise versicherungspflichtige abhängige Beschäftigung handele, die von der anwaltlichen Tätigkeit in Schleswig-Holstein unabhängig und zu unterscheiden sei. Diese abhängige Beschäftigung führe entgegen der Ansicht des Klägers nicht zu einer gesetzlich angeordneten Pflichtmitgliedschaft im Schleswig-Holsteinischen Versorgungswerk für Rechtsanwälte. Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Versicherungspflicht im streitigen Zeitraum lägen somit nicht vor.
Gegen das ihm am 16. August 2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19. August 2002 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, dass es bis zum Sommer 1999 der langjährigen Praxis der Beklagten entsprochen habe, Rechtsanwälte mit einer Kanzlei in Schleswig-Holstein auch für Einnahmen aus anwaltlicher Tätigkeit in Hamburg von der Versicherungspflicht zu befreien. Die Rechtsauffassung des Sozialgerichts, bei seiner Tätigkeit für die H Versicherung AG handele es sich um eine von der Rechtsanwaltskanzlei unabhängigen Beschäftigung, sei unzutreffend. Sie sei keine Nebentätigkeit zum Kanzleibetrieb, sondern anwaltliche Tätigkeit im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses. Prägend für die Zusammenarbeit zwischen Anwalt und Mandant sei nicht das Arbeitsrecht, sondern das anwaltliche Berufsrechts. § 46 der Bundesrechtsanwaltsordnung schränke die anwaltliche Berufstätigkeit des Syndikus für seinen Arbeitgeber lediglich geringfügig ein. Sie sei im Übrigen als Teil der einheitlichen anwaltlichen Berufsausübung geregelt. Die Versagung der Befreiung verstoße gegen Art. 12 des Grundgesetzes (GG). Sie führe zu Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis zu Anwaltskollegen mit Arbeitsverhältnissen in H, die bis Mitte 1999 von der Versicherungspflicht befreit worden seien, und im Verhältnis zu Anwaltskollegen mit Arbeitsverhältnissen in Schleswig-Holstein. Darüber hinaus führe sie zu einer unzumutbaren Belastung des Klägers mit einer Beitragsverpflichtung zur gesetzlichen Rentenversicherung der Beklagten sowie zum beigeladenen Versorgungswerk. Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts (vom 9. Oktober 2002 - L 8 RA 48/01 -) sei mit dem Gesetzeswortlaut des § 6 des 6. Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB 6) nicht vereinbar und in sich unstimmig. Im Übrigen sei es nicht auf die Situation des Klägers übertragbar, da es lediglich Steuerberater betreffe und für Rechtsanwälte andere Voraussetzungen gelten würden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 8. August...