Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. Zuordnung der gutachterlichen Tätigkeit zu einer Honorargruppe. Festlegung des vergütungsfähigen Zeitaufwands. Ermittlung anhand eines abstrakten Maßstabs. Arbeitsschritte "Abfassung der Beurteilung" und "Diktat und Korrektur". Vergütungsfähigkeit von gutachterlichen Ausführungen
Orientierungssatz
1. Zur Einordnung eines Sachverständigengutachtens in die Honorargruppen M1 bis M 3 gemäß Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG a.F.
2. Zum Kernstück des Gutachtens im Rahmen der Abfassung der Beurteilung des Sachverständigen gehören die Beantwortung der vom Gericht gestellten Fragen und deren nähere Begründung, nicht jedoch Ausführungen, die zum großen Teil die Wiedergabe der Befunde und bausteinartige, durch die Anamnese bzw. den Gutachtenauftrag nicht veranlasste Darstellungen zu eventuellen kausalen Zusammenhängen und von Krankheitsbildern enthalten, auch wenn diese Ausführungen sich im Gutachten unter der Überschrift "Zusammenfassung und Beurteilung" befinden.
3. Zusammenfassungen von Akteninhalten, die Wiedergabe von bereits vorliegenden Befunden und Dokumentationen, die Wiedergabe der Beweisfragen sowie weder nach der Anamnese noch nach den Beweisfragen des Gerichts veranlasste Ausführungen zu eventuellen kausalen Zusammenhängen und ebenso nicht veranlasste Darstellungen von Krankheitsbildern sind auch im Rahmen der Vergütung des Arbeitsschrittes "Diktat und Korrektur" nicht vergütungsfähig.
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Honorarbemessung für ein medizinisches Sachverständigengutachten nach Stundensätzen gemäß § 9 JVEG ist eine Zuordnung der jeweiligen gutachterlichen Tätigkeit zu einer Honorargruppe erforderlich, danach die Festlegung des insoweit vergütungsfähigen Zeitaufwands.
2. Regelmäßig unterfallen die typischen in der Sozialgerichtsbarkeit eingeholten Gutachten mit durchschnittlicher Schwierigkeit der Honorargruppe 2.
3. Die für die Erstellung des Gutachtens zu vergütende Zeit ist nach einem abstrakten Maßstab zu ermitteln.
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 15. Oktober 2019 abgeändert und die Vergütung des Antragsgegners für sein im Verfahren S 2 KR 536/12erstattetes Sachverständigengutachten vom 4. Januar 2019 auf 666,96 Euro festgesetzt.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Festsetzung einer geringeren Vergütung für ein von dem Antragsgegner erstattetes, gerichtlich angefordertes Sachverständigengutachten.
Im zugrundeliegenden Klageverfahren beim Sozialgericht (SG) Hildesheim zum Aktenzeichen S 2 KR 536/12 stritten die dortigen Beteiligten um die Notwendigkeit einer stationären Behandlung der Frau Lieselotte E. durch die Klägerin, die F. (im Folgenden: Klägerin). Frau E., die an der rheumatischen Erkrankung Morbus Bechterew und Fibromyalgie litt, war in der Zeit vom 14. bis zum 17. November 2007 bei der Klägerin in stationärer Behandlung aufgrund einer operativen Teilentfernung des Innenmeniskus über eine Gelenkspiegelung. Die Klägerin stellte der beklagten Krankenkasse hierfür einen Betrag in Höhe von 1.675,54 Euro in Rechnung, deren Ausgleich zunächst auch erfolgte. Nach Prüfung des Behandlungsfalls durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) nahm die beklagte Krankenkasse eine Verrechnung dieses Betrags mit der Rechnung eines anderen Patienten vor und argumentierte, Frau E. hätte ambulant behandelt werden können.
Im Laufe des Klageverfahrens wurde der Antragsgegner mit Beweisanordnung des SG vom 14. Dezember 2018 zum Sachverständigen ernannt und damit beauftragt, ein Gutachten nach Aktenlage über die Notwendigkeit und die Einzelheiten der stationären Krankenhausbehandlung der Frau E. zu erstellen. Der Beweisanordnung war ein Anschreiben beigefügt, u.a. mit folgendem Inhalt:
„Die Beweisfragen und der Akteninhalt sind den Verfahrensbeteiligten und dem Gericht bekannt. Die Beweisfragen sind daher in dem Gutachten nicht zu wiederholen. Ebenso ist auf die auszugsweise wörtliche Wiedergabe der in den Akten befindlichen Gutachten, Befundberichten, Arztbriefe oder sonstigen ärztlichen Unterlagen zu verzichten. Soweit auf Gutachten, Befundberichte, Arztbriefe oder sonstige ärztlichen Unterlagen Bezug genommen wird, sind diese mit dem Datum, dem Verfasser und der Fundstelle in den Akten (Blattzahl) zu kennzeichnen. Etwas anderes gilt nur, soweit das Gericht dies ausdrücklich anordnet. Werden die Beweisfragen wiederholt oder die Auszüge aus den oben genannten ärztlichen Unterlagen in dem Gutachten wörtlich wiedergegeben, ohne dass dies ausdrücklich durch das Gericht angeordnet ist, wird hierfür keine Vergütung gezahlt.“
Am 10. Januar 2019 übersandte der Antragsgegner sein Gutachten vom 4. Januar 2019 an das SG, das 33,5 Seiten bei 50.000 Anschlägen umfasste. Wegen der Einzelheiten des Gutachtens wird auf die Gerichtsakte S 2 KR 536/12 Bezug genommen.
Für die Gutachtenerstellung inklusive Aktenstudium machte der Antragsgegner mit Rech...