Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenhilfe. Bemessungsentgelt. zwischenzeitlicher Unterhaltsgeldbezug. Nichtberücksichtigung von Einmalzahlung. verminderter Anpassungsfaktor. Übergangsregelung. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass bei der Bemessung von Arbeitslosenhilfeansprüchen, die vor dem 1.1.2001 entstanden sind, gem §§ 200 Abs 1, 434c Abs 4 SGB 3 einmalig gezahltes Arbeitsentgelt nicht zu berücksichtigen ist (vgl BVerfG vom 26.9.2005 - 1 BvR 1773/03 = NZS 2006, 247 und BSG vom 5.6.2003 - B 11 AL 67/02 R = SozR 4-4300 § 434c Nr 3).
2. Eine entsprechende Anwendung der Übergangsregelung des § 434c Abs 5 SGB 3 ist nicht möglich.
3. Die Anwendung der Regelung des § 201 SGB 3 über die jährliche Anpassung des Bemessungsentgeltes der Arbeitslosenhilfe mit einem verminderten Anpassungsfaktor ist auch dann rechtens, wenn zwischenzeitlich nicht Arbeitslosenhilfe, sondern (Anschluss-) Unterhaltsgeld bezogen wurde.
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 19. Februar 2004 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger beansprucht die Bewilligung höherer Arbeitslosenhilfe (Alhi) mit Wirkung ab 2. Juli 2001 nach einem anfänglichen Bemessungsentgelt in Höhe von 1.900,00 DM (statt: 1.630,00 DM).
Der im Jahr 1948 geborene Kläger, ein staatlicher geprüfter Betriebswirt, bezog zuletzt Alhi bis zum 12. Juni 2000 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von anfangs 1.720,00 DM (Weiterbewilligungsbescheid vom 7. Juni 1999, Änderungsbescheide vom 27. Juli 1999 und 4. Januar 2000). Durch Bescheid vom 15. Mai 2000 bewilligte die Beklagte mit Wirkung ab 13. Juni 2000 Unterhaltsgeld während der Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme, die am 2. April 2001 endete. Das Bemessungsentgelt betrug zuletzt 1.870,00 DM wöchentlich. Ab 3. April 2001 bezog der Kläger Anschluss-Unterhaltsgeld bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 1. Juli 2001 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 1.870,00 DM in Höhe von 579,88 DM wöchentlich (Bescheid vom 20. April 2001, Änderungsbescheid vom 16. Mai 2001).
Durch Bescheid vom 28. Juni 2001 bewilligte die Beklagte Alhi mit Wirkung ab 2. Juli 2001 bis zum Ablauf des Bewilligungsabschnitts am 1. Juli 2002 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von zunächst 1.510,00 DM in Höhe von 434,70 DM wöchentlich, 62,10 DM täglich, Leistungsgruppe A/0, allgemeiner Leistungssatz. Auf den Widerspruch des Klägers vom 3. Juli 2001 erhöhte die Beklagte die wöchentlichen Leistungen unter Zugrundelegung eines wöchentlichen Bemessungsentgelts von 1.630,00 DM auf 461,51 DM bei ansonsten unveränderten Leistungsmerkmalen (Änderungsbescheid vom 19. September 2001). Im Übrigen wies sie den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2001 als unbegründet zurück. Nach dem Bezug von Unterhaltsgeld und Anschluss-Unterhaltsgeld vom 1. Juli 2001 sei der bereits entstandene Anspruch auf Alhi wieder aufgelebt, sodass das bisherige Bemessungsentgelt in Höhe von 1.693,58 DM zugrunde zu legen sei. Dieses Bemessungsentgelt sei nach § 201 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) jeweils zum 1. Juli 2000 und 1. Juli 2001 mit einem um 0,03 verminderten Anpassungsfaktor anzupassen gewesen, sodass sich ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 1.626,15 DM, gerundet 1.630,00 DM wöchentlich ergeben habe.
In der Folgezeit bezog der Kläger Arbeitslosenhilfe weiter.
Der Kläger hat am 18. Dezember 2001 gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 13. Dezember 2001 Klage erhoben. Die Beklagte habe zu Unrecht die Alhi-Leistungen mit Wirkung ab 2. Juli 2001 abgesenkt. Er habe Anspruch auf höhere Alhi ab diesem Zeitpunkt unter Zugrundelegung des Bemessungsentgelts, das auch Grundlage des Anschluss-Unterhaltsgeld und des Unterhaltsgeldbezugs gewesen sei.
Das Sozialgericht (SG) Hannover hat durch Urteil vom 19. Februar 2004 die angefochtenen Bescheide geändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Alhi mit Wirkung ab 2. Juli 2001 unter Zugrundelegung eines wöchentlichen Bemessungsentgelts von 1.900,00 DM zu bewilligen. Für die Ermittlung der Höhe der Alhi mit Wirkung ab 2. Juli 2001 sei das zuletzt für den Unterhaltsgeldbezug und den Anschluss-Unterhaltsgeldbezug zugrunde gelegte Bemessungsentgelt von 1.870,00 DM wöchentlich maßgebend. Zwar werde gemäß § 201 SGB III das Bemessungsentgelt für die Alhi nach Ablauf eines Jahres nach dem Entstehen des Anspruchs auf Alhi angepasst. Weil der Kläger mit Wirkung ab Juni 2000 bis Juni 2001 keine Alhi bezogen habe, seien die von der Beklagten vorgenommenen fiktiven "Negativdynamisierungen" nicht zulässig. Außerdem gebe es keine Rechtsgrundlage dafür, die durch bundesverfassungsgerichtliche Entscheidung vorgenommene Anhebung des Bemessungsentgelts im Rahmen der Alhi-Bewilligung wieder rückgängig zu machen.
Gegen das am 25. März 2004 zugestellt...