Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Sanktion. Rechtsfolgenbelehrung. inhaltliche Anforderungen. objektiver Erklärungswert. Hinweis auf die Beschränkung des Arbeitslosengeldes II auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung. fehlender Hinweis auf die Anrechnung von Kindergeld
Leitsatz (amtlich)
Der Hinweis in einer Eingliederungsvereinbarung an einen unter 25-Jährigen, dass bei erstmaliger Pflichtverletzung das Arbeitslosengeld II auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt werde, genügt nicht den Anforderungen an einer Rechtsfolgenbelehrung nach § 31 SGB 2, wenn der Grundsicherungsträger die berücksichtigungsfähigen Unterkunftskosten um etwaiges Einkommen (hier: Kindergeld) kürzen will.
Tenor
1. Unter Zurückweisung der Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 24. Juli 2013 klarstellend wie folgt gefasst:
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 17. Oktober 2011 sowie unter teilweiser Aufhebung der Bescheide vom 11. Oktober 2011, vom 26. November 2011 und vom 8. Dezember 2011 verpflichtet, an den Kläger für November und Dezember 2011 jeweils weitere EUR 372,00 und für Januar 2012 weitere EUR 382,60 zu leisten.
Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
2. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Absenkung von Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum November 2011 bis Januar 2012.
Nach einem erstmaligen Leistungsantrag nach dem SGB II des 1988 geborenen Klägers im November 2010 bewilligte der Beklagte mit Bescheiden vom 7. Januar 2011 und vom 3. Mai 2011 Leistungen für die Zeiträume November 2010 bis April 2011 bzw. Mai bis Oktober 2011, jeweils unter Anrechnung von monatlichen Kindergeldzahlungen in Höhe von EUR 184,00. Hiergegen gerichtete Widersprüche sind nicht ersichtlich.
Mit einer bis zum 27. Juli 2011 geltenden Eingliederungsvereinbarung vom 28. Januar 2011 verpflichtete sich der Kläger unter Ziffer 2. zur Teilnahme an einer so bezeichneten BPWu25-Maßnahme an der G. in H. im Zeitraum ab dem 31. Januar 2011. Der Bescheid beinhaltete eine aus mehreren Absätzen bestehende und so bezeichnete "Rechtsfolgenbelehrung". Darin heißt es u.a.:
"Verstoßen Sie erstmals gegen die mit ihnen vereinbarten Eingliederungsbemühungen (siehe Nr. 2. Bemühungen des Kunden) wird das Ihnen zustehende Arbeitslosengeld II auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) beschränkt. Die Kosten für Unterkunft und Heizung werden dann im Regelfall direkt an Ihren Vermieter oder einen sonstigen Empfangsbevollmächtigten gezahlt.„
In der Folgezeit erhielt der Kläger zwei Abmahnungen der G. vom 5. und 23. Mai 2011 wegen des unentschuldigten Fehlens vom 11. bis zum 15. April 2011 sowie ab dem 27. Mai 2011. Die so bezeichnete “2. Abmahnung„ vom 23. Mai 2011 beinhaltete den Hinweis, dass es sich um die Androhung der fristlosen Kündigung des Maßnahmevertrags handele.
Mit Bescheid vom 4. Juli 2011 ersetzte der Beklagte für den Zeitraum vom 4. Juli 2011 bis zum 3. Januar 2012 eine Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt unter Verweis auf § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II. Eine Vereinbarung sei nicht zustande gekommen. Als Eingliederungsbemühungen des Klägers wurde unter Ziffer 2. erneut die Teilnahme an der Maßnahme bei der G. angeführt. Der Bescheid beinhaltete zudem eine der Eingliederungsvereinbarung vom 28. Januar 2011 identische so bezeichnete "Rechtsfolgenbelehrung". Ein hiergegen gerichteter Widerspruch ist weder vorgetragen noch aus der Leistungsakte ersichtlich.
Mit Schreiben vom 25. Juli 2011 teilte die G. dem Kläger der Beendigung der Maßnahme BPWu25 mit sofortiger Wirkung mit. Trotz Hinweises auf die Rechtsfolgen in der 2. Abmahnung fehle der Kläger erneut unentschuldigt seit dem 21. Juli 2011.
Mit Schreiben vom 28. Juli 2011 teilte der Beklagte dem Kläger unter dem Betreff “Anhörung zum möglichen Eintritt einer Sanktion„ mit, nach bisherigem Stand sei auszugehen von einer Beendigung der Maßnahme wegen unentschuldigter Fehlzeiten nach zwei Abmahnungen und daher von einer Verletzung der Pflichten aus der Eingliederungsvereinbarung vom 4. Juli 2011 trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen. Der Kläger habe unter Hinweis auf § 24 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) die Möglichkeit einer Äußerung hierzu bis zum 11. August 2011.
Mit Bescheid vom 14. September 2011 beschränkte der Beklagte das Arbeitslosengeld II des Klägers für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2011 auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung. Trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen habe der Kläger seine Pflichten aus dem Bescheid vom 4. Juli 2011 nicht erfüllt und nach zwei Abmahnungen und weiterem unentschuldigten Fehlen bei der Maßnahme “BPWu25„ die Beendigungsmitteilung erhalten. Trotz Aufforderung habe der Kläger wichtige Gründe hierfü...