Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherungspflichtiges Arbeits-/Beschäftigungsverhältnis. Ghettoarbeit. Ghetto Miedzyrczek. Zahlbarmachung von Ghettorente
Orientierungssatz
1. Zum Vorliegen von Beitragszeiten aufgrund einer Beschäftigung in einem Ghetto iS von § 1 Abs 1 des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) vom 20.6.2002 (BGBl I 2002, 2074) (hier: Beschäftigung im Ghetto Miedzyrczek in der Zeit von August 1942 bis Mai 1943).
2. Eine Entlohnung in Form von Mahlzeiten bzw "zusätzlichen Mahlzeiten" oder "zusätzlicher Kost" stellt kein Entgelt iS des § 1 Abs 1 S 1 ZRBG dar.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.07.2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Regelaltersrente. Streitig ist dabei insbesondere, ob Arbeitszeiten des Klägers im Ghetto Miedzyrczek (im damaligen Generalgouvernement) von August 1942 bis Mai 1943 als glaubhaft gemachte Beitragszeiten auf die allgemeine Wartezeit anzurechnen sind.
Der ... 1922 in M (Polen) geborene Kläger ist jüdischer Abstammung und anerkannter Verfolgter im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG). Im Jahre 1945 wanderte er nach Israel aus und erwarb die israelische Staatsangehörigkeit.
Anlässlich eines von dem Kläger im Jahre 1956 eingeleiteten Entschädigungsverfahrens wurde ihm für die Zeit von November 1939 bis Juli 1944 eine Entschädigung für Schaden an Freiheit gewährt (Bescheid des Bezirksamtes für Wiedergutmachung in K vom 26.08.1960). In einer eidlichen Versicherung vom 28.12.1955 gab der Kläger damals an, im September 1942, als das Ghetto Miedzyrczek vollkommen abgeschlossen worden sei, zur Zwangsarbeit in eine Bürstenfabrik gekommen zu sein, die sich außerhalb des Ghettos befunden habe. Zusammen mit anderen Juden sei er in Gruppen unter Bewachung der Polizei zur Arbeit geführt und zurückgebracht worden. Er habe in der Bürstenfabrik bis Anfang Mai 1943 täglich zwölf Stunden ohne jegliche Entlohnung arbeiten müssen. M und J G bestätigten in eidlichen Versicherungen vom 28.12.1955, dass der Kläger von September 1942 bis Anfang Mai 1943 außerhalb des Ghettos M in einer Bürstenfabrik Zwangsarbeit habe verrichten müssen und dorthin zusammen mit anderen Juden in Gruppen und unter Bewachung der Polizei geführt worden sei. Dr. H G führte in einem von dem Kläger im Entschädigungsverfahren vorgelegten ärztlichen Attest vom 13.02.1960 aus, dass die Entbehrungen, Not, Elend, Mißhandlungen und schwere körperliche Arbeit während des Aufenthalts des Klägers im Lager Miedzyrczek scheinbar zu seinem Herzmuskelschaden geführt hätten.
Am 14.11.2002 beantragte der Kläger bei dem israelischen Sozialversicherungsträger eine Altersrente unter Anerkennung einer Beitragszeit nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG). In dem nach Weiterleitung des Antrags an die Beklagte daraufhin von dieser übersandten Antragsformular machte der Kläger unter dem 19.06.2003 geltend, vom 28.08.1942 bis zum 07.05.1943 im Ghetto Miedzyrczek in Vollzeit als Tischler in einer Bürstenfabrik gearbeitet und als Gegenleistung zusätzliche Kost erhalten zu haben. In dem Fragebogen für die Anerkennung von Zeiten nach dem ZRBG vom 19.06.2003 gab der Kläger ergänzend an, in der Bürstenfabrik "K D" in der L-strasse außerhalb des Ghettos täglich 12 Stunden als Tischler zur Herstellung von Bürsten beschäftigt gewesen zu sein. Auf dem Weg von und zur Arbeit sei er von jüdischer Polizei bewacht worden; während der Arbeit sei keine Bewachung erfolgt. Der Arbeitseinsatz sei durch Vermittlung des deutschen Arbeitsamtes zustande gekommen. Für seine Arbeit sei er durch Kost und zusätzliche Mahlzeiten entlohnt worden. Ob er Barlohn erhalten habe, sei ihm nicht erinnerlich. Zeugen, die seine Arbeitszeiten im Ghetto bestätigen könnten, könne er nicht benennen.
Nach Beiziehung der Entschädigungsakten vom Amt für Wiedergutmachung in K lehnte die Beklagte den Rentenantrag durch Bescheid vom 13.08.2003 mit der Begründung ab, dass nicht glaubhaft gemacht sei, dass der Kläger im Ghetto Miedzyrczek einer freiwilligen und entgeltlichen Beschäftigung im Sinne des ZRBG nachgegangen sei. Seine Bewachung auf dem Weg von und zur Arbeit spräche vielmehr für Zwangsarbeit. Auch habe er weder Entgelt noch Sachbezüge für seine Arbeit erhalten.
Der gegen diesen Bescheid am 03.11.2003 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2004 zurückgewiesen.
Mit seiner am 21.09.2004 beim Sozialgericht Düsseldorf erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, die Tätigkeit in der Bürstenfabrik freiwillig aufgenommen zu haben. Insbesondere stehe eine etwaige Bewachung auf dem Weg von und zur Arbeit - so seine Prozessbevollmächtigte - der Freiwilligkeit des Beschäftigungsverhältnisses nicht en...